§ 23 - b) Nachtragshaushaltssatzung und Nachtragshaushaltsplan der Stadt für das Jahr 2021; Online-Sitzungen Gemeinderat (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
Wechseln zu: Navigation, Suche

Sachvortrag:

Die Verwaltung hat die Grundlagen geprüft, um ab sofort, wie von Stadtrat Tillmann Finger beantragt, sämtliche Sitzungen des Gemeinderats und der anhängigen Gremien (Bau- und Planungsausschuss, Verwaltungs- und Finanzausschuss etc.) online abhalten zu können.

Rechtliche Grundlagen
Die Landesregierung hat unter dem Eindruck der Coronapandemie die Voraussetzungen geschaffen, dass unter Beachtung bestimmter Rahmenbedingungen Videositzungen des Gemeinderats zulässig sind. Dazu wurde der § 37a in die Gemeindeordnung eingefügt:

§ 37a
Durchführung von Sitzungen ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder im Sitzungsraum
(1) Durch die Hauptsatzung kann bestimmt werden, dass notwendige Sitzungen des Gemeinderats ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder im Sitzungsraum durchgeführt werden können; dies gilt nur, sofern eine Beratung und Beschlussfassung durch zeitgleiche Übertragung von Bild und Ton mittels geeigneter technischer Hilfsmittel, insbesondere in Form einer Videokonferenz, möglich ist. Dieses Verfahren darf bei Gegenständen einfacher Art gewählt werden; bei anderen Gegenständen darf es nur gewählt werden, wenn die Sitzung andernfalls aus schwerwiegenden Gründen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden könnte. Schwerwiegende Gründe liegen insbesondere vor bei Naturkatastrophen, aus Gründen des Seuchenschutzes, sonstigen außergewöhnlichen Notsituationen oder wenn aus anderen Gründen eine ordnungsgemäße Durchführung ansonsten unzumutbar wäre. Bei öffentlichen Sitzungen nach Satz 1 muss eine zeitgleiche Übertragung von Bild und Ton in einen öffentlich zugänglichen Raum erfolgen.
(2) Die Gemeinde hat sicherzustellen, dass die technischen Anforderungen und die datenschutzrechtlichen Bestimmungen für eine ordnungsgemäße Durchführung der Sitzung einschließlich Beratung und Beschlussfassung eingehalten werden. In einer Sitzung nach Absatz 1 Satz 1 dürfen Wahlen im Sinne von § 37 Absatz 7 nicht durchgeführt werden. Im Übrigen bleiben die für den Geschäftsgang von Sitzungen des Gemeinderats geltenden Regelungen unberührt.
(3) Bis 31. Dezember 2020 findet Absatz 1 mit der Maßgabe Anwendung, dass eine Regelung in der Hauptsatzung nicht erforderlich ist.

Mit der 11. Änderung der Hauptsatzung hat der Gemeinderat in der Sitzung am 16.12.2020, (§ 239, öffentlich) die grundlegende Voraussetzung geschaffen, um Sitzungen des Gemeinderats, der Ausschüsse und sonstiger gemeinderätlicher Gremien ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder im Sitzungsraum durchführen zu können.

Technische Voraussetzungen
Für die technische Durchführung von Online-Sitzungen sieht die Verwaltung drei Alter­nativen. Variante 1 und 2 sind Hybrid-Sitzungen, bei denen die Teilnehmenden die Wahl zwischen persönlicher und Online-Teilnahme haben, Variante 3 erfolgt vollständig online.

1. Hybrid-Sitzung - Organisation durch Dienstleister
Vergleichbar mit der Organisation der Gemeinderatssitzungen in der Hagenbachhalle beauftragt die Verwaltung einen erfahrenen Dienstleister (DL) mit der Durchführung der Sitzungen. Der DL stellt zwei Kameras: eine Kamera für die Totale als Überblick über alle Anwesenden im Raum sowie eine Kamera mit Blick auf die Rednerin/Redner. Der DL stellt dazu die Tontechnik, den Internetzugang und die notwendigen Displays. Entsprechende Angebote von DL sind angefragt. Für die Durchführung rechnet die Verwaltung mit Kosten in Höhe von ca. 4.000 € je Sitzung.

Für das Streaming der Aufnahmen und den Zugriff der Online-Teilnehmenden wird ein professioneller Service, z.B. OpenSlides, genutzt. Die Kosten betragen ca. 500 €/Monat. Der Service erfüllt die Anforderungen der DSGVO.
Diese Option ist kurzfristig umsetzbar.

2. Hybrid-Sitzung - Organisation durch die Verwaltung
Die Übertragungs- und Präsentationstechnik in der Blendstatthalle ist in die Jahre gekommen und muss modernisiert werden. Ziel ist es, vergleichbare technische Möglichkeiten wie die o.g. DL-Variante anbieten zu können und damit unabhängig von DL zu sein. Für die Erneuerung der Technik rechnet die Verwaltung mit einmaligen Kosten in Höhe von 30.000 €.
Diese Lösung könnte voraussichtlich bis Ende 2021 umgesetzt werden.

3. Online-Sitzung - Nutzung eines Videokonferenzraumes
Bei dieser Variante leitet und steuert die Sitzungsleitung die Sitzung aus einem noch einzurichtenden Videokonferenzraum. Alle Gemeinderatsmitglieder, Fachbereichsleitungen und die entsprechenden Fachleute sind online zugeschaltet.
Die Kosten für die Ausstattung des Raumes betragen ca. 13.000 €. Für das Streaming soll auch hier OpenSlides genutzt werden.
Die Blendstatthalle allein wird den wachsenden Bedarf an Videokonferenzen in den Fachbereichen und Abteilungen der Verwaltung nicht abdecken können. Der Video­konferenzraum eröffnet hier zusätzliche Optionen.

Organisatorische Hinweise zur Durchführung
Endgeräte
Die Ausstattung der Mitglieder des Gemeinderats mit Endgeräten ist kurzfristig nicht umsetzbar. Dies ist keine Frage der Finanzen. Es fehlen vielmehr die erforderlichen personellen Voraussetzungen für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Geräte. Ferner befindet sich die Stadtverwaltung in der Phase eines kompletten Systemwechsels bezüglich des Ratsinformationssystems. Bis zur Umstellung ist eine kurzfristige Ausstattung des Gemeinderats mit Endgeräten nicht zweckmäßig.

Einführung
Die Durchführung und/oder Teilnahme an einer Videokonferenz unterscheidet sich erheblich von einer Präsenzveranstaltung und stellt neue, teilweise auch ungewohnte Anforderungen an die Teilnehmenden. Die Verwaltung wird dazu entsprechende Dokumentationen bereitstellen und bei Bedarf Test- und Übungssitzungen anbieten. Idealerweise soll dies mit der Einführung in die Nachfolgelösung für das <a href="mailto:r@tsinfo">r@tsinfo</a> verbunden werden.

Abstimmungen
Abstimmungen können technisch digital durchgeführt werden. Zu berücksichtigen sind Rechtsrisiken, die sich z.B. ergeben können, wenn Ratsmitglieder nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügen oder aufgrund kurzfristig auftretender technischer Probleme nicht an einer Abstimmung teilnehmen können.

Dokumente
Die Dokumentation in Papierform wird unverändert beibehalten. Eine Umstellung auf digitale Dokumente ist später problemlos möglich. Das vorgeschlagene Streaming-System ist bereits auf die Präsentation digitaler Dokumente vorbereitet.

Online-Zugang
Voraussetzung für den Online-Zugang ist ein Rechner/Tablet/Smartphone mit Internet­zugang, Kamera, Sound und Mikrophon. In der Theorie sollte jeder Internet-Zugang ab 2MBit/sec reichen. Für die Praxis hilft nur ein Test im Rahmen einer Test-Sitzung.
Für den Online-Zugang braucht man auf der technischen Seite nur einen Link und ein Passwort. Der Link wird im Browser aufgerufen, dort wird das Password abgefragt und die Sitzung startet. Es ist nicht notwendig lokal Software zu installieren.

Gewährleistung der Öffentlichkeit
Durch eine Übertragung in den Sitzungssaal der Blendstatthalle kann die Teilnahme der interessierten Öffentlichkeit sichergestellt werden.

Abwägung
Grundsätzlich sind die rechtlichen und technischen Voraussetzungen gegeben bzw. könnten kurzfristig geschaffen werden, um Sitzungen des Gemeinderats und seiner Ausschüsse online durchführen zu können.
Allerdings ist die Durchführung von Sitzungen ohne persönliche Anwesenheit der Gremienmitglieder im Sitzungsraum zur Behandlung von Gegenständen nicht-einfacher Art nur in absoluten Ausnahmefällen zulässig. Die Präsenzsitzung mit persönlicher Anwesenheit der Gremienmitglieder ist weiterhin der von der Gemeindeordnung und Landkreisordnung vorgesehene Normalfall (Landtagsdrucksache 16/9208 vom 03.11.2020).
Die Formulierung der 11. Änderung der Hauptsatzung „Nach der Entscheidung der/des jeweiligen Vorsitzenden können …“ stellt klar, dass dieses Vorsitzendenrecht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 GemO auch bei der Durchführung von Sitzungen ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder im Sitzungsraum gegeben ist.
Die Entscheidung über die Durchführung einer Online-Sitzung ist damit jedoch nicht in das freie Ermessen des Oberbürgermeisters gestellt, sondern grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 37a GemO zulässig. Ob in Pandemiezeiten eine Sitzung mit persönlicher Anwesenheit nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden könnte, hat der Oberbürgermeister jeweils für den konkreten Einzelfall zu prüfen und zu bewerten. Dabei sind neben dem aktuellen Infektionsgeschehen auch alle weiteren Umstände des konkreten Falles zu berücksichtigen, z.B. Beschlussfähigkeit oder die Größe der Räumlichkeiten. So macht die Stadt Stuttgart aufgrund der erheblichen Rechtsrisiken von der theoretischen Möglichkeit virtueller Zusammenkünfte vorerst keinen Gebrauch. Hier tagen Gemeinderat und beschließende Ausschüsse in reduzierter Besetzung (Anlage 1). Auch der Städtetag weist auf die Schwierigkeit hin, „schwerwiegende Gründe“ gerichtsfest zu definieren (Anlage 2). Wann ein schwerwiegender Grund vorliegt und welche Anforderungen an das Merkmal der Unzumutbarkeit zu stellen sind, hat der Gesetzgeber nicht abschließend geregelt. Bisher gibt es hierzu auch noch keine Rechtsprechung.
Zur Gewährleistung der Öffentlichkeit einer Sitzung muss diese zeitgleich per Ton und Bild in einen öffentlich zugänglichen Raum übertragen werden. Eine Übertragung ins Internet kann dies nicht ersetzen, sondern nur zusätzlich erfolgen (Anlage 3). Eine solche Übertragung ins Internet setzt die Zustimmung aller Ratsmitglieder bei jeder Sitzung voraus. Aufgrund dieser Unwägbarkeit verfolgt die Verwaltung diese Option derzeit nicht weiter. Die Öffentlichkeit wird durch eine Übertragung in die Blendstatthalle oder einen anderen öffentlichen Raum gewährleistet, in dem die Regelungen zu Abstandsgeboten und Kontaktbeschränkungen eingehalten werden müssen.
Die Verwaltung hält aufgrund der rechtlichen Unsicherheiten an der Durchführung der Sitzungen in Präsenzform fest. Denkbar ist für die Verwaltung eine Online-Durchführung von öffentlichen Sitzungen des Gemeinderats und seiner beschließenden Ausschüssen im Hybrid-Format nur bei sehr hohen Infektionszahlen, die besondere Lockdown-Maßnahmen erforderlich machen, z.B. bei einer Inzidenz über 200 in der Stadt und im Landkreis Schwäbisch Hall. Das Hybrid-Format ermöglicht Ratsmitgliedern, die digitale Formate nicht befürworten oder die nicht über die erforderliche technische Ausstattung verfügen, eine Teilnahme an den Sitzungen.
Wahlen sowie nicht-öffentliche Sitzungen sollen weiterhin ausschließlich in Präsenz­veranstaltungen durchgeführt werden.

Ausblick
Die Verwaltung prüft die Nutzung von Online-Formaten z.B. für eine virtuelle Bürgersprechstunde des Oberbürgermeisters, Bürgergespräche in Teilorten oder Durchführung des Neubürgerempfangs per Livestream. Als Pilotprojekt wird die Sitzung des Klimaschutzbeirats am 22.02.2021 in digitaler Form ohne persönliche Anwesenheit der Mitglieder im Sitzungssaal durchgeführt werden.
Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist mit den bestehenden Personalkapazitäten der EDV-Abteilung nicht leistbar. Die Verwaltung wird hierzu ein Personalkonzept erarbeiten und in den Gemeinderat einbringen.

Anlagen:
Anlage 1: Stuttgarter Zeitung vom 15.01.2021
Anlage 2: Schreiben Städtetag vom 06.11.2020
Anlage 3: Prof. Dr. Matthias Müller, Gemeinderatssitzungen per Video

Nach umfassender Unterrichtung von Oberbürgermeister Pelgrim in Bezug auf die Schwierigkeit der rechtssicheren Durchführung virtuell gefasster Beschlüsse sowie Diskussion und Klärung von Verständigungsfragen wird der Beschlussantrag mit Änderung der Ziffer 4 wie folgt zur Abstimmung gestellt:

Der Beschlussantrag Ziffer 4 „Der Gemeinderat stimmt zu, die erforderlichen technischen und organisatorischen Voraussetzungen zur Gewährleistung der Öffentlichkeit zu schaffen, wenn der Livestream von Sitzungen nicht die erforderliche einstimmige Zustimmung findet.“ wird aufgrund der Mitteilung von Stadtrat Dr. Graf von Westerholt namens der CDU-Fraktion speicherbarem Livestreaming von Gemeinderatssitzungen nicht zustimmen zu wollen in „Der Gemeinderat stimmt zu, die erforderlichen technischen und organisatorischen Voraussetzungen zur Gewährleistung der Öffentlichkeit zu schaffen.“ geändert. Von Seiten des Gemeinderats besteht kein Widerspruch.

Beschluss:

  1. Der Gemeinderat stimmt für den Fall sehr hoher Infektionszahlen im Stadtgebiet und im Landkreis der Beauftragung eines Dienstleisters zur Durchführung von öffentlichen Online-Sitzungen des Gemeinderats und der Ausschüsse zu.

  2. Der Gemeinderat stimmt der Ertüchtigung der Übertragungs- und Präsentationstechnik der Blendstatthalle zu.

  3. Der Gemeinderat stimmt der Ausstattung eines Videokonferenzraumes zu.

  4. Der Gemeinderat stimmt zu, die erforderlichen technischen und organisatorischen Voraussetzungen zur Gewährleistung der Öffentlichkeit zu schaffen.

  5. Die erforderlichen Mittel in Höhe von 50.000 € werden im Nachtragshaushalt zusätzlich veranlagt.

  6. Nach Einführung eines neuen Ratsinformationssystems wird die Ausstattung des Gemeinderats mit Endgeräten befürwortet.

        (einstimmig - 32)

Meine Werkzeuge