§ 186 - Haushaltssituation der Stadt Schwäbisch Hall (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

Oberbürgermeister Pelgrim teilt mit, dass die Stadt im Jahr 2002 bei Einnahmen von höchstens 150 Mio. DM mit Gesamtausgaben von 212 Mio. DM konfrontiert sei. Es klaffe also ein Loch von 62 Mio. DM.

2003 dürften es 68 Mio. und 2004 DM 32 Mio. sein, die fehlen. Es gäbe also überhaupt keine Gestaltungsspielräume mehr. Der Sanierungsbedarf der städtischen Finanzen sei enorm, weil es extrem schwierig wäre, die Struktur des Haushalts zu ändern. 60 % der Ausgaben seien Pflichtaufgaben und die variable Summe aller Freiwilligkeitsleistungen belaufe sich auf 45 bis 60 Mio. DM. Dies bedeute konkret, dass selbst, wenn alle Freiwilligkeitsleistungen auf 0 gesetzt würden - was gar nicht möglich ist und auch niemand will - die Lücke nicht zu schließen wäre. Man müsse also eine schmerzhafte Reduzierung der Aufgaben im Pflichtbereich in Angriff nehmen. Mittel- und langfristig wäre eine deutliche „Verschlankung“ des städtischen Personals nicht zu umgehen.

Vor diesem Hintergrund wolle er dem Gemeinderat schon in der kommenden Woche Vorschläge für eine Verwaltungsstrukturreform unterbreiten, deren Grundzüge bereits vor der Haushaltskrise ausgearbeitet wurden.

Mit gravierenden Einschnitten müsse schon bald auch in allen anderen Haushaltsbereichen der Stadt gerechnet werden.

Für die Bürger bedeute dies, dass es Freiwilligkeitsleistungen wie bisher in den nächsten Jahren nicht mehr geben wird. Es sei wieder Eigeninitiative gefragt.

Genau dieses und einiges weitere erwarte auch das Regierungspräsidium Stuttgart als kommunale Aufsichtsbehörde von der Stadt.

Bei einem Gespräch am vergangenen Donnerstag beim RP sei die Bereitschaft für eine konstruktive Begleitung des städtischen Konsolidierungsprozesses signalisiert worden.

Oberstes Ziel müsse es sein, den Haushalt auszugleichen und dazu werde vom RP erwartet, dass laufende Aufwendungen nicht defizitär sind, kurzfristige Vermögenswerte der Stadt zum Ausgleich herangezogen werden, Einnahmesteigerungen im Gebühren und Beitragsbereich erfolgen und deutlich sichtbare Kostensenkungen durch Leistungsabbau erkennbar werden.

Als Sofortmaßnahme habe er nach dem bekannt werden des Steuereinbruchs Ende September mit Datum vom 04.10.2001 bereits eine Haushaltssperre erlassen. Alle Ausgaben über 3.000 DM müssten jetzt über seinen Tisch. Parallel dazu werde die Verwaltungsstrukturreform unter den neuen Vorzeichen intensiv diskutiert.


Stadträtin Rabe sieht in dem Desaster für die Stadtfinanzen auch eine Chance, die konsequent und mutig genutzt werden sollte. Es müsse endlich und gerade jetzt aus der Not eine Tugend gemacht werden.

Bezüglich der Gesetzgebung plädiert sie dafür, die Steuergesetze nicht weiterhin so mittelstandsfeindlich wie bisher zu gestalten. Kommunen, die von einem großen Gewerbesteuerzahler abhängig seien, hätten deshalb keine längerfristige Planungssicherheit mehr.

Der Bausparkasse mache sie keinen Vorwurf. Nur wäre es z. B. für Handwerker gar nicht mehr möglich, den „Dschungel“ an Steuerschlupflöchern zu nutzen. Die „normalen“ Steuerzahler seien letztlich die Dummen. Schon deshalb plädiere die CDU seit Jahren dafür, die Gewerbesteuer ganz abzuschaffen.

Ihre Fraktion habe seit langem eine Konsolidierung des städtischen Haushalts angemahnt. Sie führt die Stichworte „Schuldenabbau“, „Personalabbau“, „Besinnung auf Pflichtaufgaben“, „Immobilienmanagement“, „Controlling“ sowie „Budgetierung auch bei der Kultur (VHS, Freilichtspiele)“ auf. Leider seien die mahnenden Worte nie ernst genug genommen worden. Man sei aber bereit, in dieser prekären Situation Verantwortung zu tragen. Oberstes Ziel müsse es sein, einen Haushalt aus eigener Kraft aufzustellen. Beim Verwaltungskonsolidierungskonzept, sprich Personaleinsparung, müssten „Nägel mit Köpfen“ gemacht werden, ohne Rücksicht auf personelle Empfindlichkeiten. Die Stadt müsse sich auf ihre Pflichtaufgaben besinnen. Gaststätten, Gärtnerei, Bau- und Architekturleistungen könnten von der Privatwirtschaft ebenso oder gar besser betrieben bzw. erbracht werden. Wenn dieses Denken erreicht ist, sei es auch möglich, außer bei den Personalkosten auch bei den Sachaufwendungen 15 - 20 % einzusparen. Tabu-Bereiche dürfe es hierbei nicht geben.

Geradezu verhängnisvoll sei eine Anhebung der Gewerbesteuer. Potenziell ansiedlungswillige Betriebe würden dadurch nur abgeschreckt. Man lehne es ab, Vermögenssubstanzen zu „verscherbeln“, nur um den konsumtiven Bereich auszugleichen. Es wäre auch verantwortungslos, von der Substanz zu leben und zu hoffen, dass in 3 Jahren wieder Gelder fließen. Bis dahin sei die Gewerbesteuer hoffentlich ohnehin abgeschafft.

Schließlich halte sie ein größeres Bürgerengagement für wünschenswert, wenn nicht sogar für abdingbar. Die Bürger seien einsichtig genug, gerechte und auf alle verteilte Einschnitte zu akzeptieren, auch wenn es weh tue.


Nach Meinung von Stadtrat Vogt befinde sich der Gemeinderat angesichts der finanziellen Katastrophe nicht im Schockzustand. Auch schweige er nicht aus Schuldbewusstsein. Die Angriffe gegen Gemeinderat und Verwaltung weist er als „heuchlerisch“ zurück. Besonders wenn sie von Leuten kämen, die beim Geldausgeben in fröhlichen Zeiten ihr Klientel in vorderster Linie versorgt hätten, z. B. als Sportfunktionäre. Diese Angriffe seien auch in unerträglichem Maße unfair, weil sie von Leuten stammten, die ihren geschäftlichen Erfolg zum erheblichen Teil dem unternehmerischen Denken von Gemeinderat und Verwaltung verdanken.

Niemand konnte mit einem Totalausfall der Gewerbesteuer der Bausparkasse für drei Jahre rechnen. Die vorhergehenden Risiken wie z. B. das Damoklesschwert „Bausparkassenurteil“ habe man völlig richtig eingeschätzt. Dann musste man mit der Abschaffung der Gewerbesteuer rechnen.

Das hätte man getan und sich deshalb beeilt, die unabdingbaren Hauptinvestitionen (32 Mio. DM für Schulerweiterungen und 100 Mio. DM für das Gewerbegebiet Solpark) schnellstens in guten Zeiten hinter sich zu bringen. Diese Investitionen seien für die gegenwärtige Verschuldung hauptverantwortlich. Das ganze Ausmaß der Katastrophe lasse sich an 60 Mio. DM Schulden und 170 Mio. DM Steuerausfall in drei Jahren ablesen. Seine Fraktion habe außerdem für die Erhöhung der Gewerbesteuer gekämpft, solange es sie noch gibt. Die Mehrheit sei dem aber leider nicht gefolgt.

Die Abschaffung der Gewerbesteuer hätte die Stadt in jedem Falle verkraften können. Stattdessen würde es schließlich einen Anteil an der Umsatzsteuer gegeben, der zwar sicher wesentlich geringer, aber nicht existenzgefährdend wäre. Die überfällige Strukturreform hätte dann langsamer und in weniger schmerzlichen Schritten erfolgen können.

Jetzt blieben nur noch 20 % des seitherigen Gewerbesteuerertrags. Diese Situation sei für die Stadt Schwäbisch Hall an Dramatik nicht mehr zu überbieten. In der Krise liege aber auch die Chance für einen neuen Anfang. Alle Kräfte, die Bürger, die Unternehmen, Gemeinderat und Verwaltung müssten jetzt zusammenstehen.

Tabus dürfe es nicht geben, weder bei Sport, Kultur und Sozialausgaben, noch bei Gebühren, Steuern und Gewerbesteuern.

Zudem solle ein Sparpaket geschnürt werden. Gestrichen werden müsse alles, was für die Betroffenen nicht existenziell wichtig sei.

Einem Verkauf der Stadtwerke erteilt er jedoch eine klare Absage.

Auch eine vor Jahren umgesetzte Verwaltungsreform samt Anpassung der Gebühren und Beiträgen an das Normalmaß habe die Stadt nicht vor der jetzigen Finanzkrise bewahrt. Jüngste Umfragen zeigten, wie wohl und heimisch sich die Bürgerschaft in Hall fühle. Dies alles werde nicht in Frage gestellt.

Aber: Vor uns liegen drei Jahre, in denen wir eisern sparen und Bürger wie Unternehmen für städtische Leistungen mehr bezahlen müssen.


Nach Auffassung von Stadtrat H. Baumann ist es jetzt wichtig, dass Fakten geschaffen würden, da Haushaltsreden ohne Zahlen nur Allgemeinplätze bedeuteten. Die Verwaltung sei gefordert, ihre Vorschläge auf den Tisch zu legen. Dass Bürger und Einwohner für städtische Leistungen mehr bezahlen müssten, sei klar. Bei den Freiwilligkeitsleistungen werde es Einschränkungen geben, bei den Gebühren sei eine Anpassung an andere Städte erforderlich.

Einen Verkauf des Solbads oder der Stadtwerke schließt er aus und zeigt sich zuversichtlich, die Lage mit Strukturveränderungen und Sparen in allen Bereichen wieder hinzukriegen.

Wie wirtschaftlich gearbeitet werden könne, zeigten die städtischen Tochter-Gesellschaften.


Stadtrat Neidhardt will bei der Haushaltskonsolidierung drei Hauptpunkte beachtet wissen:

Sämtliche Freiwilligkeitsleistungen und Gebühren müssten auf den Prüfstand (Kürzungen aber nicht nach dem „Rasenmäher-Prinzip“; Kindergartenbeiträge auf Landesdurchschnitt von 120 DM für das 1. Kind mit sozialer Staffelung, wie z. B. in Rosengarten; höhere Benutzungsgebühren für die Stadtbibliothek und die Musikschule etc.).

Personalkosten müssten abgebaut werden (ohne dass dies von vorn herein Entlassungen nach sich zieht, sondern über interne Umbesetzungen und keine Neueinstellungen). Ziel müsse es sein, die Personalkosten in drei Jahren um 25 % zu kürzen, z. B. auch durch mehr ehrenamtliche Arbeit im Hällisch-Fränkischen Museum - wie etwa im Freiland- oder im Feuerwehrmuseum.

Schließlich sollen weitere städtische Immobilien privatisiert werden (bei den Gewerbe-Immobilien sollen die Mieter vom Kaufoptionsrecht Gebrauch machen; beim Wohnungsbestand müssten aus Mietern soweit wie möglich Eigentümer gemacht werden; kein Mietwohnungsbau der GWG; „ruinenähnliche“ Gebäude lieber billig hergeben, als mit hohen Unterhaltungskosten behalten).

- Stadtrat Neidhardt bis 19.10 Uhr anwesend -

Stadträtin Herrmann kritisiert den Informationsstil des OB, der zuerst nur die Fraktionsspitzen unterrichtete, nicht aber die Gesamtheit des Gemeinderats. Bei der Gründung von Eigenbetrieben oder GmbHs bleibe das Gremium außen vor. Das Problem der gewerbesteuerlichen Organschaft war bekannt, nur habe es niemand ernst genommen.

Bei hohen Steuereinnahmen habe sich die Stadt bis auf die Mindestreserve verschuldet und keine Rücklagen gebildet.

Beim Sparen dürfe auch die Kultur nicht tabu sein.

Stadtrat Dr. Hasenfuss hofft, dass jetzt eine große politische Diskussion in der Öffentlichkeit beginnt. In den letzten 3 Jahren seien jeweils Rekordhaushalte verabschiedet worden, die jeweils „fremdfinanziert“ waren - mit neuen Verschuldungen, zusätzlichen Einnahmen und dem Verzicht auf eine Rücklagenbildung. Inklusive der Umlagen liege die Verschuldung nicht bei 60, sondern bei 100 Mio. DM.

Die Abschaffung der Gewerbesteuer hält er allerdings für den völlig falschen Weg. Diese Steuer sei richtig, damit die Kommunen Entscheidungen aus eigener Kraft treffen können.

Das Vorhaben von Oberbürgermeister Pelgrim, die Finanzlücke mit mehr Einwohnern schließen zu wollen, hält er für kurzsichtig. Mehr Leute würden auch mehr Straßen, Baugebiete und Schulen etc. brauchen. Wenn im Bauhof Personal abgebaut werde, müssten wiederum mehr Aufträge nach außen vergeben werden. Das alles koste Geld. Ob beim Personal, bei der VHS oder der Kultur viel zu sparen sei, bleibe abzuwarten.

Er habe eine andere Erklärung für das Defizit. Im investiven Bereich (z. B. Solpark) seien 80 Mio. DM ausgegeben worden.

Die Ansiedlung der ehemaligen Fachhochschule Metzingen habe inklusive des Umzugs der Stadtbibliothek ins Glashaus 5 Mio. DM gekostet. Er sei in dieser Situation fast neidisch auf die Metzinger, die der FH keine großzügigen Hilfen gewährt hätten.

Die Ursache der Krise liege s. E. im investiven nicht im konsumtiven Bereich.


Oberbürgermeister Pelgrim ist der Auffassung, dass alle Gebühren angepasst werden müssten, was die finanzielle Situation aber auch nicht allzu sehr verbessern werde. Wichtiger sei es, die Strukturen zu verändern, d. h. einen Aufgabenabbau anzustreben. Dies bedeute natürlich auch gleichzeitig einen Personalabbau.

- Stadträtin Kraiss bis 19.25 Uhr anwesend -

Nach weiterer kurzer Aussprache geht Stadtrat J. Baumann ausführlich auf das Interview von Wirtschaftsminister Dr. Döring und Herrn Firnkorn im HT von 01.10.01 ein und kritisiert heftig die darin enthaltenen Aussagen sowie das Verhalten der Bausparkasse Schwäbisch Hall: Er stellt die Frage, ob man Verständnis für die „Steuer-Sparpolitik“ des Unternehmens haben solle. Es habe in den letzten zwei bis drei Jahren eine Weichenstellung vorgenommen, die man nicht habe erahnen können. Dabei sei die betriebliche Mitbestimmung „zerschlagen“ worden und keiner wisse, was nach der radikalen Steuerersparnis noch alles kommt. Die Bausparkasse sei schließlich von der Politik und dem Steuerzahler abhängig. Aber auf beide werde überhaupt keine Rücksicht genommen. Ihm stelle sich die Frage, wie dieses Verhalten mit der europäischen Betriebsverfassung vereinbar sei, die von dem Haller CDU-Europapolitiker Menrad vertreten und propagiert werde.

Zu den Vorwürfen von Minister Dr. Döring und Brauereichef Firnkorn, die der Stadt große Versäumnisse beim Sparen und bei der Rücklagen-Bildung vorgeworfen hatten, fragt er sich, wie man denn hätte im investiven Bereich sparen sollen, wo „uns der Herr Minister doch bei jeder Einweihung und bei jedem Spatenstich aus der Zeitung entgegen lächelt“? Wer kennt Dörings Sparvorschläge, als er noch Mitglied des Gemeinderats war? Stattdessen hat er stets großzügige Vereins- und Sportpolitik betrieben.

In Westernach habe Dr. Döring gesagt, dass der Sondermüllofen in die Nähe der Städte soll, wo der Müll auch entsteht.

In Böblingen habe er wiederum gesagt, der Müllofen solle aufs freie Land.

Also „alles heiße Luft“.

Als weiteres Beispiel führt er an, dass sich Döring nach der Wiedervereinigung in den Aufsichtsrat der Stadtwerke Neustrelitz habe wählen lassen, aber selbst an keiner einzigen Sitzung teilgenommen hat.

Zu Hans Firnkorn teilt er mit, dass die Stadt bei der Auslagerung der Löwenbrauerei an den jetzigen Standort aktiv mitgeholfen und zur Sicherung des Unternehmens beigetragen habe.

Damals sei jede Kleinigkeit bewertet und von der Stadt großzügig bezahlt worden.

Deswegen wendet er sich gegen die jetzige unberechtigte Kritik aus dieser Richtung.

S. E. zeige die Stadt vielmehr ein vorbildliches Engagement gegenüber kleineren Unternehmen. Jeden Monat besichtige und tage der Wirtschaftsförderungsausschuss in einer anderen Firma.

- Stadtrat Schorpp bis 19.40 Uhr anwesend -


Für die zu gründende Haushalts- und Aufgabenstrukturkommission als vorbereitendes - nicht vorberatendes - Gremium benennen die Fraktionen folgende Mitglieder:

MitgliederStellvertreter
CDURabeDr. Graf von Westerholt
ReberDenz
SPDJ. BaumannKaiser
VogtBerroth
FWVH. BaumannHeckelmann
Prof. Dr. GeisenSchmid
FDPNeidhardtPreisendanz
Grüne/ ALHerrmannNothacker oder
Dr. Hasenfuss

Oberbürgermeister Pelgrim teilt abschließend mit, dass der Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 2002 aufgrund der jüngsten Entwicklungen natürlich nicht schon im Oktober eingebracht werden kann, sondern das dies frühestens in der GR-Sitzung am 19.12.01 oder unter Umständen auch erst im Januar der Fall sein wird.

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