§ 267/3 - Verschiedenes und Bekanntgaben: Zulässigkeit von Plakaten, Transparenten etc. in Gemeinderatssitzungen (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

s. a. GR 13.10.14,§ 205 bzw. GR 12.11.14, § 233/6

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat sich mit Urteil vom 12.02.1988 (AZ: 7 B 123/87) grundlegend mit der Thematik beschäftigt, wobei es in dem dort vorliegenden Fall darum ging, dass gegen ein Gemeinderatsmitglied ein Ordnungsgeld verhängt wurde, da dieses einen Aufkleber (Größe 13 x 8 cm) mit der Aufschrift „L.../Atomwaffenfreie Stadt“ an seiner Kleidung trug.
Das BVerwG führte aus, dass einem Ratsmitglied das Recht zur freien Meinungsäußerung nicht schrankenlos, sondern nur insoweit zusteht, als der ordnungsgemäße Ablauf der Sitzung für private Meinungsäußerungen Raum lässt. Da die Ratssitzungen einem anderen Zweck, nämlich der Willensbildung der Gemeinde dienen, muss das Ratsmitglied (wie übrigens auch jeder andere Sitzungsteilnehmer) während der Sitzungen um der Funktionsfähigkeit der gemeindlichen Selbstverwaltung willen Einschränkungen seines Grundrechts aus Art 5 Abs.1 Satz 1 hinnehmen. Demnach sei auch der Einsatz demonstrativer nichtverbaler Ausdrucksmittel wie von Plakaten und Transparenten im allgemeinen als eine Beeinträchtigung der Sitzungsordnung zu bewerten, die nicht durch das Grundrecht aus Art. 5 GG gedeckt ist. Ferner weist das BVerwG darauf hin, „dass der Gemeinderat kein Forum zur Äußerung und Verbreitung privater Meinungen, sondern ein Organ der Gemeinde ist, das die Aufgabe hat, die divergierenden Vorstellungen seiner gewählten Mitglieder im Wege der Rede und Gegenrede und der nachfolgenden Abstimmung zu einem einheitlichen Gemeindewillen zusammen zu führen und der Gemeinde so die nötige Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit zu verschaffen.“
Das BVerwG stellt abschließend fest: „Ist eine Meinungsäußerung durch die Verwendung von Aufklebern nicht unerheblicher Größe, von Plakaten u.ä. geeignet, die Ordnung einer Ratssitzung zu stören, so ist nichts dagegen einzuwenden, wenn der Vorsitzende nach pflichtgemäßen Ermessen einschreitet, dabei obliegt es seiner pflichtgemäßen prognostischen Beurteilung, ob es zu konkreten Störungen der Sitzung kommen wird.“

Dem Urteil des VG Arnsberg vom 24.08.2007 (12 K 127/07) lag u.a. folgender Sachverhalt zu Grunde: In einer Ratssitzung hielten Zuhörer Plakate hoch, die sich auf den Verkauf der Anteile an den Stadtwerken bezogen. Der Kläger hatte beantragt, die Plakate der Zuhörer als unzulässige Meinungsäußerung aus dem Sitzungssaal zu entfernen. Der Bürgermeister war der Auffassung, dass von den Plakaten keine Störung des Sitzungsablaufes ausging, handelte jedoch den Kompromiss aus, dass die Plakate umgedreht wurden und die Meinungskundgabe somit nicht mehr sichtbar war. Der Kläger hielt dies ebenfalls für eine unzulässige Beeinträchtigung des Sitzungsablaufes.
Das VG Arnsberg stellte fest, dass der Bürgermeister verpflichtet war, in der Ratssitzung das Hochhalten von Plakaten zu untersagen und weitere geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um einen ungestörten Sitzungsverlauf sicher zu stellen. Nach Ansicht des VG ist das fortdauernde Hochhalten von Plakaten, auch nachdem diese umgedreht worden waren, eine Störung der Ordnung der Ratssitzung im Sinne des § 51 Abs, 1 GO NRW (vergleichbar zu § 36 Abs.1 GO BW), gegen die der Bürgermeister durch Ausübung seiner Sitzungsgewalt hätte einschreiten müssen, da der in der Gemeindeordnung umschriebene Begriff der „Ordnung“ in den Sitzungen nicht nur die den Verfahrensablauf regelnden normativen Bestimmungen der Gemeindeordnung, sondern darüber hinaus auch den Gesamtbestand der – im Parlamentsrecht zumindest der Konvention zugerechneten – innerorganisatorischen Verhaltensregeln, die für einen reibungslosen Geschäftsablauf notwendig sind, umfasst.
Mit Hinweis auf das o. a. Urteil des BVerwG, wonach der Gemeinderat kein Forum zur Äußerung und Verbreitung privater Meinungen ist, stellt das VG fest: „Dabei gehört eine von psychologischen Hemmnissen möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre zu den notwendigen Voraussetzungen eines geordneten Sitzungsbetriebs, den der Ratsvorsitzende zu gewährleisten hat. Das beruht auf dem legitimen, letztlich in der Gewährleistung der Selbstverwaltung durch Art. 28 Abs. 2 S.1 des Grundgesetzes verankerten öffentlichen Interessen daran, dass die Willensbildung des Rates als demokratisch legitimierter Gemeindevertretung ungezwungen, freimütig und in aller Offenheit verläuft (vgl. auch BVerwG vom 03.08.1990 – 7 C 14/90). Der Einsatz demonstrativer, nichtverbaler Ausdrucksmittel wie von Plakaten und Transparenten wird daher im allgemeinen als eine Beeinträchtigung der Sitzungsordnung zu bewerten sein, die auch durch das Grundrecht eines demonstrierenden Ratsmitglieds bzw. hier der demonstrierenden Zuhörer aus Art. 5 Abs.1 S.1 GG nicht gedeckt ist.“
Im Übrigen stellte das VG Arnsberg klar, dass eine Störung der Sitzungsordnung im Sinn der Gemeindeordnung keine Störung der Funktionsfähigkeit des gesamten Rates voraussetzt. Sie ist vielmehr bereits dann gegeben, wenn die unbeeinflusste Mandatsausübung auch nur eines einzelnen Ratsmitglieds beeinträchtigt ist.

Aufgrund dieser Rechtslage kann der Oberbürgermeister in Gemeinderatssitzungen der Stadt Schwäbisch Hall, zur Wahrung der Sitzungsordnung und der ungestörten Mandatsausübung, das Hochheben von Plakaten, Transparenten etc. untersagen. Auch der Ausdruck von Zustimmung und Ablehnung zu Äußerungen von Gemeinderatsmitgliedern, durch Kommentare, Beifall etc. kann vor diesem Hintergrund durch den Oberbürgermeister untersagt werden.

Eine Anfrage beim Regierungspräsidium in Stuttgart ergab, dass dieses im Wesentlichen die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts und des VG Arnsberg teilt. Das Regierungspräsidium hat noch auf zwei weitere Urteile des VGH Baden Württemberg vom 25.06.69 und vom 03.11.81 verwiesen, die zu dem selben Ergebnis wie die o.a. Gerichte kommen.

Eine telefonische Anfrage bei den Städten Mannheim und Karlsruhe ergab, dass dort während der Sitzung grundsätzlich keine Plakate, Transparente etc. hochgehoben bzw. mitgebracht werden dürfen. Ebenso wird dort die Meinungskundgabe in Form von Beifall, Unmutsbezeugungen etc. untersagt.

Oberbürgermeister Pelgrim verweist auf die schriftlich vorliegende Rechtsauffassung der Verwaltung; diese wird kontrovers diskutiert. Er sichert einen maßvollen Umgang mit der Thematik zu.

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