TOP 12 - Livestream-Übertragungen der Gemeinderats- und Ausschusssitzungen: Antrag der FWV (öffentlich)
Sitzungsvorlagen-Nummer: 220/24
Sachvortrag:
Die FWV-Fraktion hat Ende Juni einen Antrag zur Einrichtung von Livestream-Übertragungen der Gemeinderats- und Ausschusssitzungen gestellt. Die Prüfung der technisch-organisatorischen wie auch der rechtlichen Voraussetzungen brachte die folgenden Ergebnisse:
Einige Bundesländer haben die Möglichkeit zur Übertragung von Gemeinderatssitzungen schon lange vor Baden-Württemberg eingeführt. Dort haben vor allem kleinere Gemeinden diese ausprobiert und oft wegen geringer Zuschauerzahlen wieder eingestellt. Auch in größeren Städten sind die Nutzungszahlen oft überschaubar: Der Livestream in München (ausgestrahlt seit 2013) wird von bis zu 1.000 Leuten geschaut, diese Quote würde bei uns in Hall etwa 28 Zuschauerinnen und Zuschauern entsprechen. Auch hat beispielsweise die Stadt Konstanz mit rund 86.000 Einwohnenden einen jährlichen Aufruf des Streamings von rund 250 Mal, was ebenfalls sehr überschaubar bzw. niedrig ist.
Den erfahrungsgemäß niedrigen Nutzungszahlen steht ein hoher technischer, organisatorischer und finanzieller Aufwand gegenüber:
Dass die Übertragung von Sitzungen aus der Blendstatthalle grundsätzlich möglich ist, hat die Verwaltung während der Corona-Zeit überzeugend demonstriert. Allerdings wurde damals erheblich improvisiert, da die Technik in der Blendstatthalle gut 30 Jahre alt ist. Wenn Übertragungen die Regel sein sollen, wird eine technische Aufrüstung notwendig werden. Dies wird mit zusätzlichen Kosten im fünf- bis sechsstelligen Bereich verbunden sein.
Während der Aufzeichnung muss mindestens eine zusätzliche Kraft die Technik steuern und überwachen. Wenn die Übertragung live gestreamt wird, müssen diese Personen die komplexe juristische Sachlage kennen und situativ beurteilen können und schnell reagieren (Audio stummschalten, Video umschalten usw.). Dies verlangt extreme Konzentration, so dass sich voraussichtlich mehrere Personen in kurzen Intervallen abwechseln werden müssen. Diesen Service kann auch extern eingekauft werden, was erhebliche Kosten verursachen würde.
Wenn Aufzeichnungen zeitversetzt gesendet werden, müssen diese vor der Sendung entsprechend nachbearbeitet werden. Expertise für diese Tätigkeiten sind in der Verwaltung nicht vorhanden, daher werden diese Aufgaben extern vergeben werden müssen.
Auch die rechtlichen Hürden sind hoch. Das Recht des Gemeinderatsmitglieds auf freie Rede kann durch Bild- und Tonaufzeichnungen empfindlich beeinträchtigt werden. Eine von psychologischen Hemmnissen möglichst unbeeinträchtigte Atmosphäre gehört jedoch zu den notwendigen Voraussetzungen einer geordneten Sitzung. Auch darum dürfen Beiträge von Stadträtinnen und Stadträten nur gestreamt werden, wenn diese ausdrücklich schriftlich zugestimmt haben. Diese Zustimmung ist jederzeit widerruflich.
Selbiges gilt für die Beschäftigten der Stadtverwaltung (ausgenommen Oberbürgermeister und Beigeordnete) und andere Dritte (Gutachter, sachkundiger Bürger etc.). Bei den Beschäftigten sieht der Datenschutzbeauftragte des Landes eine Übertragung auch bei Einwilligung kritisch, da die Freiwilligkeit aufgrund der Abhängigkeit im Arbeitsverhältnis nicht gewährleistet werden kann. Zuschauende dürfen grundsätzlich nicht im Stream erscheinen.
Es ist zu gewährleisten, dass bei Beiträgen mit datenschutzrechtlichen Problemstellungen der Stream unverzüglich unterbrochen wird.
Rechtlich gesehen trifft die Entscheidung über Live-Übertragungen der Oberbürgermeister nach pflichtgemäßem Ermessen, da diese Entscheidung über die Zulässigkeit von Ton- und Videoaufnahmen Bestandteil des Hausrechts ist (§ 36 GemO).
Dabei hat er grundgesetzlich die gewährleistete Pressefreiheit bzw. das Grundrecht der Bürgerinnen und Bürger, sich aus öffentlich zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten, abzuwägen gegen das öffentliche Interesse daran, dass die Gemeindeverwaltung ihre Aufgaben sachgerecht erfüllen kann. Der Oberbürgermeister hat in seiner Funktion als Vorsitzender des Gemeinderats die äußeren Bedingungen sicherzustellen, die für einen ordnungsgemäßen Sitzungsbetrieb erforderlich sind.
Zu berücksichtigen ist ferner, dass die Verhandlungen im Gemeinderat ausnahmslos vom Haller Tagblatt begleitet werden und zu vielen Tagesordnungspunkten eine ausführliche Berichterstattung erfolgt. Die Sitzungsvorlagen und Beschlussfassungen sind zudem im Ratsinformationssystem allen Interessierten zugänglich.
Auch wenn die Verwaltung das Ansinnen begrüßt, die Arbeit und Entscheidungsfindungsprozesse im Gemeinderat noch transparenter zu gestalten, kommt sie in der Abwägung aller Argumente zu dem Schluss, dass der gewünschte Effekt mit vertretbarem finanziellen und personellen Aufwand nicht zu erreichen ist. Die Einführung einer Live-Übertragung der Gremiensitzung wird daher nicht angestrebt.
Um die Information der Bevölkerung über die Arbeit des Gemeinderats zu verbessern plant die Verwaltung eine Ausweitung der diesbezüglichen Kommunikation für die Presse, für den eigenen Internetauftritt und für die städtischen Teilortsblätter. Auch sollen die Aktivitäten in den Sozialen Medien intensiviert werden; die Einführung einer Stadt-App wird geprüft.
Beschlussantrag:
Zur Kenntnisnahme.