§ 110 - Abwassergebühren/ Starkverschmutzungszuschläge; hier: Satzung zur Änderung der Abwassersatzung (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

In Schwäbisch Hall werden von vier Firmen Starkverschmutzungszuschläge auf die Abwassergebühren erhoben:

Firma Zuschlag auf Abwassergebühr 2 € / m³ Abwassermenge m³ Starkverschmutzungs- zuschlag/ €
Hohenloher Molkerei eG 50 % 1,00€/m³ 140.862 140.862,00
Wildbadquelle 30 % 0,60 €/m³ 44.396 26.637,60
Erzeugerschlachthof Schwäb. Hall AG 70 % 1,40 €/m³ 43.016 60.222,40
Hohenloher Obstverwertung 50 % 1,00 €/³ 17.239 17.239,00
245.513 244.961,00

Die Einnahmen aus Starkverschmutzungszuschlägen sind bei der Kalkulation der Abwassergebühren berücksichtigt. Ohne diese Zuschläge fehlen beim Jahresabschluss ca. 250 000 € an Einnahmen (ca. 5%), das entspricht einer Gebühr von 0,10 € / m³ Abwasser. Die Abwassergebühr würde ohne die Erhebung von Starkverschmutzungszuschlägen für die Allgemeinheit 2,10 € / m³ ausmachen.

Die Hohenloher Obstverwertung und die Hohenloher Molkerei eG wenden sich gegen die Erhebung von Starkverschmutzungszuschlägen. Beide Firmen geben an, dass sie aufgrund des enormen Konkurrenzdrucks alle Rationalisierungspotentiale und Kostenblöcke einer unabhängigen und kritischen Prüfung unterziehen müssen. Im Vergleich zu anderen Standorten seien sie in Hall wegen der zusätzlichen Starkverschmutzungszuschläge benachteiligt.

Die Stadt hat daraufhin im Frühjahr bei der Hohenlohe'schen Obstverwertung drei Messungen über die eingeleitete Schmutzfracht durchgeführt. Die Messungen ergaben, dass nach der städtischen Satzung über die Saison der Obstverwertung hinweg von Oktober bis Dezember ein weitaus höherer Zuschlag zu bezahlen wäre.

Die Verwaltung einigte sich mit der Firma, den Starkverschmutzungszuschlag vorübergehend (für 2005) auf 30 % zu reduzieren. Die Geschäftsleitung sagte daraufhin zu, im Laufe des Jahres Schritte zur Schmutzfrachtverringerung einzuleiten. Ende 2005 wird eine weitere Abwasseruntersuchung durchgeführt und auf der Basis dieser Messung dann der satzungsgemäße Zuschlag erneut festgesetzt.


Mit der Hohenloher Molkerei eG wurde vereinbart, ein Gespräch über den Fortgang der Erhebung von Starkverschmutzungszuschlägen zu führen, sobald der Wirtschaftsförderungsausschuss über diese Problematik beraten hat.

Aus § 9 Kommunalabgabengesetz, dem Gleichheitsgrundsatz und dem Äquivalenzprinzip kann sich für eine Gemeinde die Verpflichtung ergeben, einer verstärkten Inanspruchnahme der Abwasserbeseitigungsanlagen durch Einleiter stark verschmutzter Abwässer etwa durch „Verschmutzungszuschläge“ Rechnung zu tragen. Eine Berücksichtigung des Schmutzungsgrades kann geboten sein, wenn neben dem häuslichen Abwasser auch solches gewerblicher oder industrieller Unternehmen – etwa von Brennereien, Textilfabriken, Schlachthöfen oder Molkereien - anfällt.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Erhebung einer erhöhten Abwassergebühr bei Einleitung stark verschmutzten Abwassers grundsätzlich zulässig ist. Die sogenannten Starkverschmutzer dürfen zu einer erhöhten Gebühr herangezogen werden, weil sie die öffentliche Einrichtung der Abwasserbeseitigung in einem stärkeren Umfang in Anspruch nehmen als die Einleiter von normal verschmutztem insbesondere häuslichem Abwasser. Der Aufwand für die Einrichtung hängt nicht nur von der Menge des eingeleiteten Abwassers ab. Er steigt viel mehr mit zunehmendem Verschmutzungsgrad, weil höhere Investitionen für die Behandlung erforderlich werden.

Voraussetzung für die Erhebung von Starkverschmutzungszuschlägen ist nach der Rechtsprechung, dass mehr als 10 % der Gesamtwassermenge mit erhöhter Schmutzfracht eingeleitet werden. Dies ist in Schwäbisch Hall gegeben.

Die Erhebung der Starkverschmutzungszuschläge liegt jedoch im Ermessen der Gemeinde. Die Stadt hat seither bei der kostenorientierten Bemessung dieser Zuschläge die Einleiter normal verschmutzter Abwässer von den Mehraufwendungen entlastet, die durch die Beseitigung der stark verschmutzten Abwässer verursacht werden (Verursacherprinzip).

Trotz des Ermessensspielraumes sehen die meisten Gemeinden von der Erhebung solcher Zuschläge ab. Um Standortnachteile für betroffene Firmen zu vermeiden, gehen die Städte und Gemeinden einer Mehrbelastung von ortsansässigen Betrieben aus dem Weg.

Die Erhebung der Starkverschmutzungszuschläge stößt aber auch dann an Grenzen, wenn der Gleichheitsgrundsatz nachweislich nicht eingehalten wird. Um ihn zu gewährleisten, müsste die Stadt alle größeren Abwassererzeuger, die in Verdacht stehen, erhöhte Schmutzfrachten einzuleiten, überwachen und evtl. veranlagen. In der Vergangenheit wurde diesbezüglich nur Großeinleiter untersucht. Hinsichtlich der Kleineinleiter lässt die Rechtsprechung zu, dass in die Satzung eine Bagatellgrenze von 1.000 cbm Abwasser aufgenommen wird, bis zu deren Höhe keine Verschmutzungszuschläge erhoben werden.


Die Verwaltung schlägt folgenden Kompromiss vor:

Der Starkverschmutzungszuschlag wird auf maximal 25 % begrenzt.

Dadurch ergibt sich ein Einnahmeausfall von ca. 120.000 €/Jahr.

Dadurch werden die in Schwäbisch Hall bestenden Standortnachteile für die betroffenen Firmen reduziert, ohne gleichzeitig eine Gebührenerhöhung für die Allgemeinheit durchführen zu müssen, denn der Eigenbetrieb Abwasserbeseitigung hat im Jahr 2004 einen Überschuss von über 400 000 € erzielt. Die festgesetzten Gebühren von 2,00 € pro cbm Abwasser sollten in den Folgejahren die anstehenden hohen Investitionen in diesem Bereich, die auf die Gebühren durchschlagen, teilwei107-05se abfangen.

Nachteil dieser Satzungsänderung ist, das deshalb die nächste Gebührenerhöhung zu einem früheren Zeitpunkt erforderlich werden wird.

Ergänzung zur Sitzungsvorlage:

Zur Aufnahme einer Bagatellgrenze in die Abwassersatzung in Bezug auf die Erhebung von Starkverschmutzungszuschlägen gab der Gemeindetag folgende rechtliche Stellungnahme ab:

„Bagatellgrenzen sind bei der Gebührenbemessung grundsätzlich zulässig. Die Zulässigkeit ergibt sich indirekt bereits aus der von der Rechtsprechung zum Gleichheitsgrundsatz entwickelten so genannten Typisierung, bei der sich die Beitragsbemessungsgrenze am Regelfall der Benutzung auszurichten hat und atypische Fällen, wenn sie auf weniger als 10 v. H. der Nutzungstatbestände entfallen, unberücksichtigt bleiben können.

Bei der Bestimmung der Höhe der Bagatellgrenze wird man dem Satzungsgeber einen weiten Ermessungsspielraum einräumen müssen. Allgemein gültige Vorgaben sind dabei nicht möglich. Wenn im Zusammenhang mit der Erhebung von Starkverschmutzungszuschlägen eine Bagatellgrenze festgesetzt wird, muss dabei nicht nur die Wassermenge, sondern auch der Verschumutzungsgrad des Abwassers mit berücksichtigt werden. Denkbar wäre z. B., dass einen Firma relativ geringe Abwassermengen einleitet, das Abwasser aber einen überduchschnittlich hohen Verschmutzungsgrad aufweist (der Reinigungsaufwand wird nicht durch die Abwassermenge, sondern die Schmutzfrachten verursacht). Man wird also die Bagatellgrenze so festlegen müssen, dass in der jeweiligen Kommune dann auch tatsächlich die Haupt-Starkverschmutzer erfasst werden.“

Es wird vorgeschlagen, die Bagatellgrenze, bis zu deren Höhe keine Starkverschmutzungszuschläge erhoben werden, auf 3.000 cbm Abwasser/ Jahr festzulegen.

In Schwäbisch Hall gibt es 41 Abwassereinleiter, die über dieser Grenze liegen. Davon kommen nur die 4 Firmen, die jetzt schon veranlagt werden, als Starkverschmutzer in Frage.

Aus der Stellungnahme lässt sich entnehmen, dass die Festlegung der Starkverschmutzung lediglich in einer einzigen Stufe, so wie sie bis jetzt vorgeschlagen ist, problematisch erscheint, weil der unterschiedliche Verschmutzungsgrad der Einleitung unberücksichtigt bleibt. Es ergibt sich eine größere Rechtssicherheit, wenn die seither stufenweise Festsetzung des Starkverschmutzerzuschlags entsprechend der eingeleiteten Schmutzfracht weiterhin bestehen bleibt. Eine Entlastung der Firmen könnte dadurch erfolgen, dass z. B. die Prozentsätze der Zuschläge um 50 % reduziert werden. Im Ergebnis entsteht dadurch eine Entlastung der betroffenen Starkverschmutzungseinleiter von ca. 122.000 €/Jahr, sie werden dann aber weiterhin entsprechend der eingeleiteten Schmutzfrachten unterschiedlich belastet.

Stadtrat Kaiser ist gegen den Verwaltungsantrag, da hiermit das Verursacherprinzip auf die Bürgerinnen und Bürger verlagert würde.

Stadträtin Rabe hätte den Zuschlag am liebsten ganz gestrichen, kann aber mit dem jetzt vorgeschlagenen Kompromiss leben.

Nach weiterer kurzer Aussprache wird folgender Beschluss gefasst:

  1. Die Bagatellgrenze in der Abwassersatzung wird auf 3.000 cbm/ Jahr festgesetzt. (einstimmig - 35 -)
  2. Die in der Satzung festgelegten Verschmutzungszuschläge werden um 50 % abgesenkt. (21 Ja-Stimmen, 14 Nein-Stimmen)
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