§ 93/1 - (1) Anlage: Resolution (öffentlich)

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Sachvortrag:

NOW Zweckverband Wasserversorgung Nordostwürttemberg

Sitz Crailsheim (Bundesrepublik Deutschland)

Resolution vom 18. Mai 2004

Wasser darf nicht zur Handelsware werden

Kommunen bleiben Garant für eine sichere Wasserversorgung


Städte, Gemeinden, Stadtwerke und kommunale Zweckverbände sind in Deutschland die wichtigsten Träger der Wasserversorgung und weiterer bedeutender Aufgaben im Bereich der Daseinsvorsorge, zum Beispiel in den Sektoren Abwasserentsorgung, Müllbeseitigung, Personennahverkehr, Gesundheit und Bildung. Diese Sektoren sollen nach dem Willen der EU-Kommission und der WTO mehr und mehr den Wettbewerbsregeln eines freien Marktes unterworfen werden.

Die NOW wendet sich gegen diese Bestrebungen mit folgenden Anmerkungen:

  1. Als Wasserversorger für rund 560.000 Menschen in rund 100 Städten und Gemeinden hat die NOW bisher jederzeit Trinkwasser in bester Qualität und gewünschter Menge zu vernünftigen Preisen zu Verfügung gestellt. Eine Liberalisierung und Privatisierung dieses Sektors würde für die NOW wie für alle anderen kommunalen Versorger und letztlich für die gesamte Bürgerschaft keine Verbesserungen bringen. Die Wasserversorgung muss daher eine kommunale Aufgabe bleiben.
  2. Erfahrungen in anderen Ländern mit privatisierten Sektoren im Bereich der Wasserversorgung (mangelnde Bereitschaft zu Netzsanierungen, Verschlechterung der Wasserqualität, enorme Preissteigerungen, steigende Wasserverluste) in England und Wales
    • im Bereich der Stromversorgung (gewaltige Crashs sowie Insolvenzen) in USA und Italien
    • im Bereich des Schienenverkehrs (heruntergewirtschaftete Anlagen und Unfälle) in Englandkönnen als Beweis für mehr Effizienz privatisierter Unternehmen nicht mehr herangezogen werden. Sie sind im Gegenteil ein abschreckendes Beispiel für den Niedergang von Leistungen der Daseinsvorsorge im privatisierten Sektor.
  3. Die NOW begrüßt die Beschlüsse des Europa-Parlaments vom 14.01.2004 und vom 11.03.2004 zu den Strategiepapieren der EU-Kommission „Grünbuch zu Leistungen der Daseinsvorsorge“ und „Binnenmarktstrategie 2003-2006“. Das Parlament hat die Liberalisierungsabsichten der EU-Kommission zur Wasserversorgung und Abwasserentsorgung weitgehend abgelehnt und eine Modernisierungsstrategie empfohlen.
  4. Die Kritik der EU-Kommission (Genaraldirektion Wettbewerb und Binnenmarkt) an der Übertragung kommunaler Aufgaben von einzelnen Gemeinden auf kommunale Zweckverbände ist entschieden zurückzuweisen. Die in der Kritik geäußerte Auffassung, bei interkommunalen Zusammenschlüssen (also insbesondere bei der Einrichtung von kommunalen Zweckverbänden) müsse vorab das Wettbewerbs- bzw. Vergaberecht angewendet werden und damit müssten Ausschreibungspflichten Platz greifen, geht von einer irrigen Definition der Zweckverbandseigenschaft aus. Zweckverbände sind als eigenständige Organisationsform im gesamtstaatlichen Gefüge zu sehen und nicht als ausschreibungspflichtige Beschaffungsvorgänge.
  5. Die NOW hält einen EU-Ordnungsrahmen für den Sektor Wasserversorgung und Abwasserentsorgung mit darin enthaltenen weitgehenden Ausschreibungspflichten, Erteilung von Gebietskonzessionen für privatwirtschaftliche Unternehmen sowie ein Zwangsbenchmarking für nicht erforderlich. Die vorhandenen nationalen Regelungen sind ausreichend und ermöglichen ohne weitere Reglementierungen die notwendige Modernisierung auf den genannten Sektoren im Rahmen einer weiterhin kommunal bestimmten und gelenkten Daseinsvorsorge. Die NOW wird dies gegenüber der EU-Kommission bei der Konsultation zum vorliegenden Grünbuch zu „Öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ der EU-Kommission vom 30.04.2004 zum Ausdruck bringen.
  6. Die Erteilung von Wasserentnahmerechten bzw. -konzessionen an privatwirtschaftliche Unternehmen wird abgelehnt. Wasser ist ein öffentliches Gut und keine Handelsware. Es muss daher in öffentlicher Hand bleiben.
  7. Die Einbeziehung des Wassersektors und anderer sensibler Sektoren in die GATS-Verhandlungen der WTO wird abgelehnt. Damit würde eine Liberalisierung und Privatisierung dieser Sektoren ohne jeden Einblick in die Verhandlungen und ohne jegliche Mitwirkungsrechts der Parlamente eingeläutet und die bisher kommunal bestimmte Daseinsvorsorge beseitigt.

Die NOW wendet sich mit dieser Resolution entschieden gegen alle Tendenzen zur Liberalisierung und Privatisierung sensibler Sektoren der Daseinsvorsorge, insbesondere der Wasserversorgung. Sie würden zu einer Einengung und zu einem Kompetenzverlust grundgesetzlich garantierter kommunaler Zuständigkeiten führen.

Die NOW fordert die Entscheidungsträger in der EU und in Deutschland deshalb auf, demokratisch verfasste und bewährte Strukturen der Kommunen zu stärken und nicht privaten, rein gewinn-orientierten Konzernen preis zu geben.

Die seit 1. Mai 2004 von 15 auf 25 Staaten erweiterte EU braucht mehr denn je einen starken, handlungsfähigen und demokratisch verfassten Unterbau. Die Städte, Gemeinden und Regionen Europas bilden diesen starken Unterbau. Sie brauchen für diese große Aufgabe die erforderlichen Kompetenzen, zu denen zweifellos die Aufgaben der Daseinsvorsorge gehören.

In Bezug auf die Weiterversorgung muss die Aussage der EU-Wasserrahmenrichtlinie 2000 auch weiterhin Gültigkeit behalten:

Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Allgemeingut,
das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss.

Diesem Anspruch wird am ehesten gerecht, wer vorhandene Strukturen und nationale Regelungen respektiert, deren Weiterentwicklung fördert und lokales Handeln von überzogener Anwendung der Prinzipien von Privatisierung und Wettbewerb freistellt.

Crailsheim, den 18. Mai 2004

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