§ 120 - Resolution an die Landesregierung zur Änderung der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

Aus der Mitte des Gemeinderates wurde im Frühjahr der Wunsch geäußert, einen Formulierungsvorschlag für eine an die Landesregierung gerichtete Resolution zur Modifizierung der VOB-Vorschriften (Verdingungsordnung für Bauleistungen) zu verfassen. Analog zur VOB besteht die Problematik im Grundsatz bei allen öffentlichen Vergabevorgängen, also auch bei der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) und bei der für freiberufliche Leistungen (VOF).

Diese aus Sicht des Gemeinderats sehr eng gefassten Vorschriften, zwingen das Gremium bei Auftragsvergaben immer wieder dazu, Entscheidungen zu treffen, bei denen keinerlei Abwägungsmöglichkeit mehr besteht. Die öffentlich zu fassenden Vergabebeschlüsse sind deshalb unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen eine reine Formalie ohne jeglichen Handlungsspielraum. Aus der Mitte des Gemeinderates wird vor allem Abwägungsspielraum bzw. ein Steuerungsvermögen hinsichtlich der Berücksichtigung regionalwirtschaftlicher und sozialpolitischer Aspekte gewünscht.

So sollten z. B. Aufträge (bis zu einer bestimmten Vergabesumme) bevorzugt an das örtliche bzw. das regionale Handwerk vergeben werden können. Hierdurch hätten die Kommunen die Möglichkeit, eine Stärkung insbesondere der kleineren Betriebe und auch der mittelständischen Wirtschaft im näheren räumlichen Umfeld zu erreichen und somit aktive Strukturpolitik zu betreiben. Auch im Hinblick auf die Umwelt (- z.B. Verringerung unnötigen Fahrverkehrs -) wäre ein gewisser Handlungsspielraum sinnvoll.

Ferner ist es wünschenswert, dass es den öffentlichen Auftraggebern ermöglicht wird, Aufträge bevorzugt an Firmen zu vergeben, die sich in besonderer Art und Weise um die Sicherung und den Erhalt von Arbeitsplätzen verdient gemacht haben. Auch wäre ein Bonus für diejenigen Firmen denkbar, die eine hohe Anzahl von Ausbildungsplätzen (bezogen auf die Betriebsgröße) zu Verfügung stellen, oder für solche, die Maßnahmen ergreifen, um benachteiligte bzw. vom Arbeitsmarkt ausgeschlossene Personen wieder einzugliedern.

Aus Sicht der Verwaltung sollten außerdem umweltpolitische Gesichtspunkte, auch bei größeren Auftragsvergaben, eine stärkere Rolle spielen als bisher, wobei hier natürlich nicht die bereits möglichen Festlegungen von Produkten oder Leistungen in der Ausschreibung gemeint sind, sondern ganz konkrete Kriterien des Bieters selbst.

Die vorgenannten Ziele stehen im Einklang mit der sozialpolitischen Agenda der Europäischen Union, die auf der Tagung des Rates von Nizza im Dezember 2000 angenommen wurde. Dort heißt es u.a.: ,,Wirtschaftlicher Fortschritt und sozialer Zusammenhalt, einhergehend mit einem hohen Maß an Schutz und Verbesserung der Qualität der Umwelt, sind weitere Säulen der nachhaltigen Entwicklung und stehen im Mittelpunkt des europäischen Integrationsprozesses.“ In einer Mitteilung der Kommission über die Auslegung des gemeinschaftlichen Vergaberechts der EU vom 15.10.2001 wird dieser Grundsatz aufgenommen: ,,Die geltenden Vergaberichtlinien enthalten zwar keine ausdrücklichen Bestimmungen über die Verfolgung sozialpolitischer Ziele bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Wie die Kommission bereits (...) 1998 bestätigt hat, ist sie dennoch der Auffassung, dass das derzeitige Vergaberecht Möglichkeiten bietet, die es bei entsprechender Anwendung ermöglichen, das gewünschte Ziel zu erreichen. (...) Falls man zu der Schlussfolgerung kommen sollte, dass das derzeitige System der Vergaberichtlinien keine angemessenen Möglichkeiten zur Berücksichtigung der sozialen Belange bietet, müssten die Richtlinien geändert werden.“ Und in der Zusammenfassung: ,,Bei Aufträgen, die nicht unter die Richtlinien fallen [gemeint sind hierbei die Vergaberichtlinien der EU], steht es den Auftraggebern frei, im Rahmen der von ihnen vergebenen Aufträge soziale Ziele zu verfolgen, sofern sie dabei die Vorschriften und allgemeinen Grundsätze des EG-Vertrages einhalten. Es obliegt den Mitgliedstaaten, zu bestimmen, ob die Auftraggeber solche Ziele bei der Vergabe öffentlicher Aufträge verfolgen dürfen bzw. müssen.“ Und: ,,Den Mitgliedsstaaten ist es überdies freigestellt, innerhalb der vom Gemeinschaftsrecht festgelegten Grenzen zu entscheiden, ob Aufträge, die nicht unter die gemeinschaftlichen Vergaberichtlinien fallen, benutzt werden können – oder gar müssen -, um andere Zielsetzungen der Vergaberichtlinien zu verfolgen als die des >>besten Preis-Leistungsverhältnisses<<.“

Wertzulegen ist aber auf die Feststellung, dass die vorgenannten Ziele nicht zur Diskriminierung einzelner Betriebe oder von Firmen aus anderen Regionen oder Staaten führe dürfen. Eine Marktbegrenzung oder -zugangsbeschränkung darf ebenso wenig angestrebt werden, da sich dieses nicht mit den allgemeinen Grundsätzen des EG-Vertrags vereinbaren lässt. Eine Gleichbehandlung der Bieter im Rahmen festgelegter Regeln sowie eine angemessene Transparenz sind zu berücksichtigen.

Zudem wäre es aus Sicht Verwaltung unter Beachtung der eingangs genannten Zielsetzungen wünschenswert, wenn nachfolgende Regelungen ebenfalls umgesetzt werden könnten:

  1. Register über unzuverlässige Unternehmen ("Korruptionsregister“) Mit dem Korruptionsregister soll dafür gesorgt werden, dass korrupte oder in sonstiger Weise unzuverlässige Unternehmen keine öffentlichen Aufträge mehr bekommen. Zu diesem Zweck sollte beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ein Register eingerichtet werden, in dem Firmen geführt werden, die wegen schwerer Verfehlungen – etwa wegen Korruption, illegaler Beschäftigung oder Schwarzarbeit – von der Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen worden sind. Der Deutsche Bundestag hatte dem Gesetz am 05.07.2002 zugestimmt. Der Bundesrat hat eine Woche später den Vermittlungsausschuss angerufen. Das Gesetz kann damit voraussichtlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode in Kraft treten.
  2. Tariftreuegesetz: Damit sollen öffentliche Auftraggeber verpflichtet werden, Aufträge im Baubereich und im Personennahverkehr an eine Verpflichtung der Unternehmen zu binden, ihren Arbeitnehmern die am Ort der Leistungsausführung einschlägigen Lohn- Gehaltstarife zu zahlen. Ziel ist es, Wettbewerbsverzerrungen entgegenzuwirken, die durch den massiven Einsatz von Niedriglohnkräften entstehen, und Belastungen für die sozialen Sicherungssysteme zu mildern. Auch über das vom Bundestag beschlossene Tariftreuegesetz ist im Vermittlungsausschuss keine Einigung erzielt worden. Der Bundesrat hat es am 12.07.2002 abgelehnt.

Auf die exakte Formulierung von Kriterien, welche o.g. Grundsätze näher ausführen, muss an dieser Stelle verzichtet werden, da dies nicht von einer einzelnen Kommune geleistet werden kann.

Die nachfolgende Resolution verfolgt das Ziel, die Landesregierung darauf aufmerksam zu machen, dass in diesem Themenbereich aus Sicht des Gemeinderates der Stadt Schwäbisch Hall dringender Handlungsbedarf besteht.


Resolution:

Die Landesregierung wird ersucht, alles dafür zu tun, dass die Regularien der VOB und der anderen einschlägigen nationalen Vergaberichtlinien dahingehend geändert werden, dass den öffentlichen Auftraggebern künftig bei der Auftragserteilung ein größerer Ermessens- und Handlungsspielraum eröffnet wird. Besonders zu berücksichtigen sind dabei strukturpolitische Zielsetzungen (- wie z.B. die Förderung der regionalen Wirtschaft -), sozialpolitische Zielsetzungen (- wie z.B. die Förderung von Betrieben, die freiwillig eine höhere Zahl von Ausbildungsplätzen zur Verfügung stellen -) und umweltpolitische Ziele (- wie z.B. die bevorzugte Vergabe an Betriebe, die lärm- und abgasarme Maschinen einsetzen -).

Die Landesregierung wird weiterhin aufgefordert, sich für die baldige Umsetzung des Korruptionsregisters und des Tariftreuegesetzes einzusetzen.


Stadtrat Zügel schlägt vor, diese Resolution auch an die kommunalen Spitzenverbände weiterzuleiten, die hierzu in erster Linie in Aktion treten sollten und könnten.

Im Weiteren nimmt er zu der Verwaltungsvorlage Stellung, die s. E. in einigen Punkten nicht richtig sei bzw. anders gefasst oder formuliert werden sollte.

An dieser Stelle wird die Tagesordnung unterbrochen und die Sitzung aufgrund des zu Beginn unter c) genannten Antrags bzw. Beschlusses beendet.

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