§ 207 - Anbahnung einer Städtepartnerschaft mit einer afrikanischen Stadt (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

Die bestehenden Städtepartnerschaften der Stadt Schwäbisch Hall beschränken sich derzeit auf europäische Städte sowie auf Balikesir im asiatischen Teil der Türkei und somit auf Städte mit einem überwiegend stabilen politischen und wirtschaftlichen Umfeld.

Die derzeitige Migrations- und Flüchtlingsproblematik zeigt, dass ein Beitrag zur Verbesserung der Lebensbedingungen in den Ländern des so genannten „Globalen Südens“ – und hier gerade in Afrika als dem Kontinent mit dem höchsten Bevölkerungswachstum –  sinnvoll und notwendig ist.

Das Staatsministerium Baden-Württemberg sowie das Auswärtige Amt ermuntern derzeit die Kommunen, sich in lokalen Entwicklungshilfemaßnahmen zu engagieren, da „Entwicklungshilfe in den Kommunen beginnt“.

Vor diesem Hintergrund wurden seitens der Stadtverwaltung Überlegungen angestellt, in Austausch mit möglichen Partnerstädten zu treten. Hierbei wurde von Anfang an darauf geachtet, angesichts der nicht immer einfachen Reise- und Sicherheitsbedingungen in Afrika nur solche Staaten in Betracht zu ziehen, die über eine akzeptable Lage in den Bereichen Sicherheit, Gesundheit, Reisebedingungen und politische Stabilität verfügen. Auch wenn sicherlich eine gezielte Projektarbeit im Vordergrund einer möglichen Partnerschaft steht, ist mit Blick auf einen Austausch zwischen Bürgern auf die genannten Kriterien besonders großer Wert zu legen. Gleiches gilt selbstverständlich auch für offizielle Austausche.

Durch offizielle Anfragen interessierter Städte und persönliche Verbindungen entstanden erste Kontakte zu Städten in Äthiopien (Experteneinsatz von Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim im April 2009) und Namibia.

Durch einen Briefwechsel im Anschluss an eine Privatreise von Stadtrat Dr. Graf von Westerholt ergaben sich Kontakte zur äthiopischen Stadt Gondar sowie ein Treffen mit Vertretern in der äthiopischen Botschaft in Berlin. Durch einen Wechsel der Ansprechpartner vor Ort konnte der begonnene Dialog mit Gondar leider nicht fortgeführt werden.

Bei einem Besuch einer Delegation aus Namibia im Juni 2012 ­- unter ihnen Vertreter des namibischen Erziehungsministeriums sowie der in Ondangwa geborene ehemalige Oberbürgermeister von Windhoek und heutige Vorsitzende des Vorstands der Waldorf School Windhoek, Matheus Shikongo - die anlässlich des Projekts „Hit the Beat“ in Schwäbisch Hall und der Region zu Gast war, wurde eine Einladung zu einem Gegenbesuch nach Namibia ausgesprochen.

Folgende Faktoren führten dazu, Namibia (bzw. eine Stadt in Namibia) näher in Betracht zu ziehen:

  • Historische Verantwortung gegenüber dem Staat Namibia aufgrund der Kolonialvergangenheit (ehemals Deutsch-Südwestafrika)
  • Politische Stabilität
  • Akzeptable Sicherheitslage
  • Verständigung leicht möglich (Englisch und teilweise Deutsch)
  • Keine Visumspflicht (im Gegensatz zu den meisten anderen afrikanischen Staaten)
  • Keine außergewöhnlichen Impfungen erforderlich (z. B. gegen Gelbfieber)
  • häufige Direktflüge mit zuverlässigen Fluglinien in akzeptablem Kostenrahmen
  • Gut verträgliches überwiegend trockenes Klima
  • Bei Bedarf gute medizinische Versorgung
  • Grundlegende Strukturen kommunaler Selbstverwaltung sind vorhanden 
  • Interesse mehrerer Städte in Namibia an einer Städteverbindung
  • Vorhandene Kontakte zur Waldorfschule in der namibischen Hauptstadt Windhoek und Angebot von dort zur Koordinierung und Beteiligung  gemeinsamer Projekte (= weiterer Partner vor Ort)
  • Interesse an Städtepartnerschaft zwischen Schwäbisch Hall und einer namibischen Stadt ist durch die deutsche Botschaft in Windhoek/Namibia vorhanden

Aufgrund des positiven Gesamteindrucks besuchte Ende März 2014 eine Delegation aus Schwäbisch Hall, bestehend aus Oberbürgermeister Hermann-Josef Pelgrim sowie den Stadträten Hans Reber, Hartmut Baumann und Rüdiger Schorpp (die beiden erstgenannten zugleich als stellvertretende Bürgermeister) Namibia und mehrere vorausgewählte und an einer Städtepartnerschaft interessierte Städte.

In Gesprächen mit dem deutschen Botschafter und Vertretern der Waldorfschule in Windhoek (organisatorische Unterstützung) wurden die grundsätzlichen Bedingungen in Namibia in Erfahrung gebracht und diskutiert.

Das straffe einwöchige Programm umfasste Begegnungen mit Vertretern mehrerer namibischer Städte (Swakopmund, Eenhana, Outapi, Ondangwa). Insbesondere wurden vor Ort Schulen und Ausbildungszentren sowie Krankenhäuser besucht. Die Begegnungen mit allen Städten verliefen in einer guten und konstruktiven Atmosphäre.

Gute Kontakte erfolgten insbesondere auch mit Vertretern der Stadt Ondangwa im Norden Namibias, unweit der Grenze zu Angola, in einer überwiegend landwirtschaftlich geprägten Region. Hier stellt das rasante Bevölkerungswachstum eine besondere Herausforderung dar und lässt eine Partnerschaft - gerade auch im Bildungsbereich - als besonders sinnvoll erscheinen.

Ondangwa ist eine Kreisstadt in der Region Oshana mit offiziell 21.100 Einwohnern. Ondangwa bildet zusammen mit den Nachbarstädten Oshakati und Ongwediva nach Windhoek die zweitgrößte Agglomeration Namibias. Der Ort verfügt über ein Mindestmaß an Infrastruktur (Polizeistation, Schuleinrichtungen, Gesundheitseinrichtungen etc.) sowie über einen Flughafen. Es bestehen Partnerschaften mit zwei finnischen Städten.
In Ondangwa war ein nachhaltiges Interesse insbesondere des dortigen Bürgermeisters, Mayor Cllr. Leonard Sunday Negonga an einer Städtepartnerschaft festzustellen. Potenziale für eine mögliche Zusammenarbeit/Projekte gibt es hier nach einer ersten Einschätzung insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft (da in dieser Region ausreichend Niederschläge vorhanden sind), Wassermanagement, erneuerbare Energien/ Biomassenutzung, Bildung/ Ausbildung, Abfallmanagement, Verwaltungsorganisation und Stadtplanung.

Bereits Mitte April ergab sich die Gelegenheit für einen "Gegenbesuch" durch den dortigen Bürgermeister/Mayor, Cllr. Leonard Sunday Negonga, der im Nachgang zur von ihm besuchten Hannover-Messe für einige Tage in Schwäbisch Hall war (vergleiche Berichte im Haller Tagblatt) und mit einem Besuchsprogramm einen ersten Eindruck der Stadt Schwäbisch Hall erhielt. Bürgermeister Negonga zeigte sich weiterhin sehr interessiert an einer Verbindung zwischen beiden Städten. Im Rahmen dieses Besuches wurde eine unverbindliche Absichtserklärung/Letter of Intent unterzeichnet, die Verbindung zwischen den Städten zu vertiefen (Anlage).

Gemeinsam mit der Waldorfschule Windhoek und weiteren Partnern (Namibisches Erziehungsministerium, Namibia Training Authority/namibische Berufsausbildungsbehörde,  University of Namibia, Polytechnic of Namibia, Deutsche Botschaft, Universität Flensburg, Forum International Berlin) gibt es darüber hinaus Überlegungen, den Bereich der Lehrerfortbildung und des Ausbildungswesens in Namibia und in Ondangwa im Besonderen zu unterstützen sowie den Austausch von Lehrern und Schülern/Studenten sowie Know-How zu fördern. Als mögliche Partner in Schwäbisch Hall kommen hier die Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung an den Schulen Comburg, die beruflichen Schulen sowie das Goethe-Institut in Frage.

Durch die Berichterstattung im Haller Tagblatt liegen zwischenzeitlich seitens des Freundeskreises Afrika e.V. (Weija in Ghana und Almanagel im Sudan) sowie von Stadtrat Nik Sakellariou MdL (Burundi) weitere Vorschläge für Städtepartnerschaften vor.

Weder aus Ghana noch aus dem Sudan liegen offizielle Interessensbekundungen oder Partnerschaftsanfragen bei der Stadt Schwäbisch Hall vor. Für eine Partnerschaft in Burundi gibt es bisher eine Kooperation auf Ebene des Landes Baden-Württemberg, jedoch auch hier keine Anfrage für eine Städtepartnerschaft. Das Auswärtige Amt warnt in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen für Burundi vor der Gefahr terroristischer Anschläge. So seien die Drohungen der somalischen Al-Shabab-Miliz mit Vergeltungsaktionen in Reaktion auf die Beteiligung des burundischen Militärs an der AMISOM-Mission in Somalia ernst zu nehmen. Des weiteren sei aufgrund der langjährigen gewaltsamen Auseinandersetzungen seit 1993 die Gewaltbereitschaft in der Bevölkerung trotz merklicher Verbesserungen seit 2005 hoch. Die allgemeine Kriminalität und die verbreitete Straflosigkeit stellen in Burundi angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und der vielen Waffen im Land zentrale Probleme dar.

Deshalb und mit Blick auf die unwägbaren Lage in diesen Staaten hinsichtlich der eingangs erwähnten Faktoren rät die Stadtverwaltung davon ab, diese Vorschläge weiter zu verfolgen.

Anlage: Letter of Intent

 

Oberbürgermeister Pelgrim berichtet über die Entstehungsgeschichte der Verbindung zu Ondangwa/Namibia: Es gab verschiedene persönliche Verbindungen, wie beispielsweise die von Frau Marion Würth zur Waldorfschule Windhoek. Auf Einladung war eine Schwäbisch Haller Delegation (Oberbürgermeister Pelgrim, Stadträte Hartmut Baumann, Rüdiger Schorpp und Hans Reber) in Namibia. Ondangwa hat sich bereits formell um eine deutsche Partnerstadt bemüht. Andere Vorschläge, die von der Bevölkerung bzw. von Stadtrat Sakellariou vorgeschlagen wurden, scheiden aus (siehe Übersicht). Oberbürgermeister Pelgrim plädiert für eine projektbezogene Zusammenarbeit mit Ondangwa. Eine Annäherung soll langsam erfolgen, in zwei bis drei Jahren kann man dann über eine formelle Partnerschaft nachdenken.

Stadtrat Dr. Graf von Westerholt hält es für eine gute Idee, eine afrikanische Stadt mit Informationen zu unterstützen. Ein konstruktiver Dialog ist gut, jedoch ist dieser mit konkreten Maßnahmen zu unterfüttern. Bei der Aufstellung des nächsten Haushalts sollte hierfür ein Budget geschaffen werden.

Stadtrat Kaiser sieht die Voraussetzungen für eine klassische Partnerschaft nicht. Eine projektbezogene Zusammenarbeit kann er sich dagegen gut vorstellen. Afrika verdient unser Interesse und hat ein sehr großes Potenzial für die Umsetzung von kommunalen Projekten.

Auch Stadtrat Härtig befürwortet eine projektbezogene Zusammenarbeit. Er hätte sich jedoch eine öffentliche Diskussion darüber gewünscht, wie eine solche Zusammenarbeit aussehen könnte. Er bittet darum, die Festlegung auf Namibia nochmals zu öffnen und über Alternativen nachzudenken.

- Stadtrat Preisendanz bis 22.20 Uhr anwesend -

Stadtrat Waller unterstützt Stadtrat Kaiser: Seine Fraktion wird den jetzt angestoßenen Prozess positiv begleiten.

Stadtrat Neidhardt warnt vor einer Überforderung. Die bestehenden Städtepartnerschaften sollten mit Leben befüllt werden.

Stadtrat Sakellariou begrüßt die öffentliche Diskussion. Projektbezogene Zusammenarbeit wird auch im Falle des Staates Burundi seitens des Landes praktiziert. Tiefgründig sollte man auch darüber nachdenken, ob dieses „Helfersyndrom“ angemessen ist. Es sollte nicht vergessen werden, dass auch von den Menschen dort einiges gelernt werden kann.

Beschluss:

  1. Der Gemeinderat begrüßt die Bemühungen der Stadtverwaltung, die Projektpartnerschaft mit der Stadt Ondangwa in Namibia sowie die daran anknüpfenden Kooperationen, insbesondere mit der Waldorfschule Windhoek, zu vertiefen.
  2. Der Gemeinderat wird über den weiteren Fortgang unterrichtet.

(29 Ja-Stimmen, 1 Enthaltung)

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