§ 218 - Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe an der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule; hier: Stellungnahme zum Antrag der FDP auf erneute Abstimmung (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

Die FDP-Fraktion hat mit Schreiben vom 04. November 2020 den Antrag gestellt, erneut über die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe an der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule abzustimmen (siehe Anlage 1).

Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 15. Mai 2013 (§ 92, öffentlich)den Beschluss gefasst, im Schulzentrum West eine Gemeinschaftsschule mit gymnasialer Oberstufe, bestehend aus der Thomas-Schweicker-Werkrealschule und der Leonhard-Kern-Realschule, einzurichten. Die Gemeinschaftsschule startete ihren Betrieb zum Schuljahr 2015/16. Die beiden Vorgängerschulen - Thomas-Schweicker-Werkrealschule und Leonhard-Kern-Realschule - wurden mit dem Schuljahr 2019/20 durch Abgang des letzten Jahrgangs beendet.

Die Einführung einer gymnasialen Oberstufe war konstitutiver Bestandteil der Beschlussfassung der Leonhard-Kern-Realschule zur Fusion mit der Thomas-Schweicker-Werkrealschule.

Der Gemeinderat hat in seiner Sitzung am 10. April 2019 (§ 107, öffentlich) entschieden, an dem Beschluss vom 15. Mai 2013 festzuhalten und einen Antrag auf Einrichtung der gymnasialen Oberstufe an der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule zu stellen.

Der frühestmögliche Zeitpunkt, um einen Antrag auf Einrichtung einer Oberstufe zu stellen, ist nach Vorliegen der Halbjahresergebnisse der ersten Jahrgangsstufe 9 der neugebildeten Gemeinschaftsschule. Der Antrag wurde deshalb am 30. Januar 2020 gestellt.

Bei der Durchführung der Regionalen Schulentwicklungsplanung hatten die Städte Gaildorf und Ilshofen, die Kommunen Bühlertann, Kupferzell und Rosenberg, die Freie Waldorfschule, die Schulstiftung der evang. Landeskirche Württemberg (als Schulträgerin des Evangelischen Schulzentrums Michelbach) sowie der Gesamtelternbeirat Schwäbisch Hall keine Einwände bzw. positive Rückmeldung zur Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe gegeben. Der Landkreis, die Gemeinde Mainhardt und die Gemeinde Neuenstein haben gegen die Einrichtung der gymnasialen Oberstufe votiert. Aufgrund der Einwände hat das Regierungspräsidium ein Schlichtungsverfahren eingeleitet. Dies wurde aufgrund der Pandemie schriftlich durchgeführt. Nachdem Einwände nicht zurückgezogen wurden, liegt der Antrag zur Entscheidung nun beim Kultusministerium.

Der Kreistag hat in seiner Sitzung am 3. November 2020 beschlossen, den Gemeinderat aufzufordern, den Antrag auf Einrichtung der gymnasialen Oberstufe zurückzuziehen. Der Landkreis fürchtet um die Existenz von Profilen an den Beruflichen Gymnasien in Schwäbisch Hall (siehe Anlage 3).

Die FDP-Fraktion bittet ebenfalls um Rücknahme des Antrags. Die Begründung ist der Anlage zu entnehmen.

Die Verwaltung ist in ihrer Sitzungsvorlage 2019 (§ 107, öffentlich)ausführlich auf die Gründe, Auswirkungen und Prognosen eingegangen. Neue Sachverhalte haben sich seither nicht ergeben. Die Anmeldezahlen an der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule sind aktuell, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe, erheblich gestiegen. Die Schülerzahlentwicklung aller Jahrgänge an der Gemeinschaftsschule war Bestandteil des Antrags.

Für die Erstellung der Schülerzahlprognose für die gymnasiale Oberstufe an einer Gemeinschaftsschule hat das Kultusministeriums klare Kriterien vorgegeben, die bei der Antragstellung zugrunde gelegt wurden.

Prognoseberechnung in der Antragstellung:

siehe Grafik

Bei den anzurechnenden Übergangszahlen besteht ein Ermessensspielraum. Das Regierungspräsidium hat die Prognose deshalb neu erstellt unter der Annahme der Mindestzahlen bei den umliegenden Gemeinden. Somit verringert sich die Prognose von 86,9 auf 66,5. Die erforderlichen 60 Schülerinnen und Schüler werden trotz der o.g. minimalsten Annahme dennoch erreicht (siehe Anlage 3 Seite 7-9 Schlichtungsverfahren).

Die Nachfolgerin des ehemaligen Schulleiters Herr Kuhn - Frau Fürle - hat sich mit Blick auf die geplante Einführung der Oberstufe als Schulleiterin beworben.

Viele Schülerinnen und Schüler sowie die Eltern haben sich bewusst für die Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule mit Aussicht auf eine mögliche Oberstufe entschieden. Es ist wichtig, dass sich die Schule und Betroffenen auf die im Gemeinderat getroffenen Entscheidungen verlassen können.

Eine Stellungnahme der Schulleitung der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule ist beigefügt (siehe Anlage 2).

Aus den oben genannten bereits bekannten Gründen sieht die Verwaltung keine Veranlassung den Antrag auf Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe an der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule zurück zu nehmen.

Anlagen:
Anlage 1: Antrag FDP-Fraktion
Anlage 2: Stellungnahme der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule
Anlage 3: Stellungnahme Landkreis

 

Oberbürgermeister Pelgrim führt anhand der Sitzungsvorlage in das Thema ein und übergibt das Wort an die Schulleiterin der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule, Frau Andrea Fürle, die sich zum Stadium der Vorbereitung bezüglich der Einführung einer gymnasialen Oberstufe äußern soll.

Zu Beginn bedankt sich Schulleiterin Fürle bei der anwesenden Schülerinnen und Schülern sowie dem Kollegium für die hiermit bewiesene Rückendeckung in dieser Angelegenheit. Die Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule stehe in den Startlöchern und warte auf die Entscheidung des Kultusministeriums.
Im laufenden Schuljahr haben sich von vier 10. Klassen (= 75 Schülerinnen/Schüler) 23 Personen bereits entschlossen, auf E-Niveau (Gymnasialniveau) zu arbeiten und nicht die Mittlere Reife abzulegen, sondern in die Klasse 11 der Oberstufe zu wechseln. Die restlichen Schülerinnen und Schüler haben sich entschieden, die Mittlere Reife abzulegen. Danach werden auch davon einige Schülerinnen und Schüler den Weg weiter an der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule gehen.
Der Lehrkörper besteht inzwischen bei insgesamt 73 Lehrerinnen und Lehrern aus neun Gymnasiallehrkräften, so dass im nächsten Jahr mit zwei Klassen in der Oberstufe gestartet werden könne. Es gehe jetzt darum, den Übergang in die Oberstufe möglichst gut durchzuführen.
Anmeldeschluss für die gymnasiale Oberstufe ist der 01.03.2021 und bei den Schülerinnen und Schülern der 10. Klasse sei die Unsicherheit über die bestehende Situation enorm hoch.

Stadtrat Preisendanz stellt fest, dass es zu einem demokratischen Verfahren gehöre, dass der Kreistag ein Widerspruchsrecht habe. Das Schlichtungsverfahren sei erst abgeschlossen, wenn das Ministerium eine Entscheidung getroffen habe. Die FDP-Fraktion teile die Bedenken des Kreistages.
Bereits 2013 wurde auf das gefährliche Spiel hingewiesen, wenn bei Informationsveranstaltungen zu den weiterführenden Schulen in den Grundschulen bereits für eine Oberstufe in den Gemeinschaftsschulen geworben werde. Voraussetzung für eine solche Oberstufe ist, dass sie vom Ministerium genehmigt werde und genügend Schülerinnen und Schüler vorhanden sind.
Der FDP-Fraktion gehe es vor allem um die beruflichen Gymnasien, in denen in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Schülerinnen und Schüler der Realschulen, Hauptschulen, Werkrealschulen, Berufsfachschulen und der allgemeinbildenden Gymnasien zum Abitur gelangt seien. Mit der Einführung der gymnasialen Oberstufe an der Gemeinschaftsschule könne dieses Angebot der beruflichen Gymnasien nicht mehr gehalten werden.
Als Grund für den Antrag der FPD-Fraktion werden, ausgehend von einer Mindestschülerzahl 60 für die Bildung einer Oberstufe, 120 bis 130 Kursstufenstunden kalkuliert, was fünf bis sechs Lehrkräften entspreche. Dies würde dazu führen, dass die beruflichen Gymnasien ihr hervorragend angenommenes Angebot nicht mehr im bisherigen Umfang weiterführen könnten.

Stadtrat Härtig ist für ein neues - weg von dem dreigliedrigen - Schulsystem und sehe die Vorteile der Gemeinschaftsschule deutlich im Vordergrund. Keine frühzeitige gesellschaftliche Grundeinteilung sowie die Chance für Schülerinnen und Schüler, auch in einer erschwerten Lebenssituation mit einen individuell gestalteten und methodisch vielfältigen Lernweg, einen guten Abschluss zu erhalten. Es wird im Namen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die gymnasiale Oberstufe an der Gemeinschaftsschule plädiert.

Stadträtin Härterich stimmt den Ausführungen von Stadtrat Preisendanz zu. Es wird die Einberechnung der Schülerinnen und Schüler der umliegenden Gemeinden in die Prognoseberechnung des Sachvortrags für eine gymnasiale Oberstufe kritisiert. Nicht alle Schülerinnen und Schüler möchten das Abitur machen, sondern beginnen nach dem Realschulabschluss eine Ausbildung. Was passiert, wenn die erforderliche Anzahl von 60 Schülerinnen und Schülern nicht erreicht werden könne?

Oberbürgermeister Pelgrim verweist auf das Schreiben des Regierungspräsidiums Stuttgart (Anlage 3), in welchem auf Seite 3 ohne die Umlandgemeinden Bühlertann, Mainhardt, Ilshofen und Gaildorf eine Summe von 66,5 Personen für die Oberstufe errechnet wurde.

Stadtrat Kaiser spricht sich für die gymnasiale Oberstufe an der Gemeinschaftsschule aus und kritisiert die nochmalige Diskussion im Gemeinderat. Dies widerspriche einer demokratischen Mehrheitsentscheidung. Hiermit verunsichere man eine ganze Reihe von Schülerinnen und Schülern sowie die Elternschaft, die sich bewusst für die Gemeinschaftsschule mit der Perspektive auf eine gymnasiale Oberstufe entschieden haben.
Bei der Gemeinschaftsschule gehe es um eine Alternative zum dreigliedrigen Schulsystem. Eine Gemeinschaftsschule ohne Oberstufe werde sehr schnell ein Restschulimage erhalten, da dort alle Schülerinnen und Schüler landen, die nicht in die Schablonen der Realschulen und Gymnasien passen. Eine solche Betrachtungsweise passe nicht zu einer offenen demokratischen Gesellschaft. Das traditionelle dreigliedrige Schulsystem diene der Verfestigung bzw. der Entstehung sozialer Ungerechtigkeit, da Studien belegen, dass gerade in Deutschland ein hoher Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Schulerfolg bestehe. Nur mit dem Angebot, bis zum Ende der Sekundarstufe an der Gemeinschaftsschule bleiben zu können, gelinge es, diese Schule als gleichwertige Säule neben dem Gymnasium zu etablieren.

Stadtrat Waller stellt sich hinter dem im Jahr 2013 gefassten Beschluss zum Einrichtung einer Gemeinschaftschule mit gymnasialer Oberstufe und lobt die Akteure, die diesen Beschluss umsetzen. In Schwäbisch Hall gelinge dies hervorragend. Die FWV-Fraktion sehe keinen Anlass, den Beschluss zur gymnasialen Oberstufe in Frage zu stellen bzw. zurückzuziehen.

Stadträtin Schumacher-Koelsch steht auch zu den im Jahr 2013 und 2019 gefassten Beschlüssen zur Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe. Der Empfehlung des Kreistages müsse man als Gemeinderat nicht folgen. Man dürfe sich nicht davor verschließen, dass das dreigliedrige Schulsystem erkrankt sei.

Stadtrat Dr. Döring wiederholt die an die FDP-Fraktion herangetragenen Sorgen von Berufsschulleitungen und mahnt die Auswirkungen des Angebots auf die beruflichen Gymnasien an.

Oberbürgermeister Pelgrim mahnt den Zeitpunkt an, da das Schlichtungsverfahren abgeschossen ist und die Entscheidungsvorlage beim Ministerium liege. Die Positionen des Landkreises im Zeitfenster 2013 bis 2020 sind - auch in den Berufsschulen - deckungsgleich. Geändert hat sich möglicherweise die Mehrheit im 2019 neu konstituierten Gemeinderat sowie die Erwartungshaltung der Schülerinnen und Schüler und die Entwicklung der Gemeinschaftsschule. Es bestehe kein Zweifel daran, dass das Land nicht zu seinen eigenen Regeln stehe und sich gegen die gymnasiale Oberstufe ausspreche.
Der Antrag der FDP-Fraktion wird verlesen und zur Abstimmung gestellt.

Beschluss

- Empfehlung an den Gemeinderat -

a) Beschlussantrag der Verwaltung:

Der Antrag der FDP-Fraktion vom 04.11.2020 wird abgelehnt.
(Der Beschlussantrag der Verwaltung bleibt ohne Abstimmung.)

b) Antrag der FDP-Fraktion vom 04.11.2020 (analog Antrag des Kreistags vom 03.11.2020):

Der Gemeinderat zieht den Antrag der Stadt beim Regierungspräsidium/Kultusministerium auf Einrichtung einer gymnasialen Oberstufe an der Johannes-Brenz-Gemeinschaftsschule zurück.
(6 Ja-Stimmen, 12 Nein-Stimmen)
Der Antrag ist somit abgelehnt.

 

Schulleiterin Fürle bedankt sich bei den Gremienmitgliedern für den positiven Beschluss und spricht eine Einladung zur Besichtigung der Arbeit der Gemeinschaftsschule aus.

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