§ 2 - Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP); hier: Positionierung der Stadt Schwäbisch Hall - Antrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, StRin Herrmann vom 09.12.2014 (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

s. a. GR vom 17.12.2014

Die Europäische Union und die USA haben am 13. Februar 2013 beschlossen, Verhandlungen über eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP) aufzunehmen.

Ziel ist es, die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen durch dieses Abkommen zu vertiefen. Bereits heute ist die USA der bedeutendste Handelspartner der EU. Zusammen machen die EU und die USA fast 50 % der Weltproduktion sowie ein Drittel des Waren- und Dienstleistungshandels aus. Die transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft zwischen der EU und der USA soll erhebliche Wachstums- und Beschäftigungseffekte erzielen.

Das Abkommen wird für die Mitgliedstaaten der EU von der Europäischen Kommission verhandelt. Grundlage dieser Verhandlungen ist ein vom Rat erteiltes Mandat. Nach Abschluss der Verhandlungen müssen das Europäische Parlament und der Rat dem Vertragstext des Abkommens im Ganzen zustimmen oder ihn ablehnen. Nach Abschluss des Freihandelsabkommens wird dieses für die Mitgliedstaaten bindend. Damit wird es Anwendungsvorrang vor dem europäischen Sekundärrecht wie beispielsweise Verordnungen und Richtlinien, sowie nationalem Recht haben. Dieses rechtliche Gewicht des Abkommens verstärkt seine Bedeutung für die kommunale Daseinsvorsorge.

Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, dass sich die deutsche Bundesregierung in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden bei der EU-Kommission für die Belange der Kommunen stark macht und sich dafür einsetzt, dass diese beim Abschluss eines Handelsabkommens mit den USA - und allen weiteren Handelsabkommen - Berücksichtigung finden. Die Organisationsfreiheit der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge sowie das Recht, die Art und Weise der lokalen Daseinsvorsorge zu gestalten, dürfen nicht angetastet werden.

In diesem Sinne haben Deutscher Städtetag, Deutscher Landkreistag, Deutscher Städte- und Gemeindebund sowie der Verband kommunaler Unternehmen e.V. im Oktober 2014 ein „Gemeinsames Positionspapier zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen“ verabschiedet, in dem die wesentlichen Forderungen hinsichtlich der Gewährleistung des Schutzes der kommunalen Daseinsvorsorge sowie weiterer grundlegender Regelungen im Zusammenhang mit TTIP festgehalten sind (siehe Anlage).

Dem Gemeinderat wird vorgeschlagen, sich den Forderungen des Gemeinsames Positionspapiers anzuschließen und diese Positionierung der Stadt Schwäbisch Hall der Bundesregierung sowie allen Abgeordneten der Region gegenüber zum Ausdruck zu bringen. 

Anlage: Positionspapier

 

Oberbürgermeister Pelgrim stellt sich hinter die Positionen der Spitzenverbände zum Thema TTIP. Er fordert die Stadträtinnen und Stadträte auf, ebenso hinter diesen Positionen zu stehen und den Spitzenverbänden den Rücken zu stärken.

Stadträtin Bergmann begrüßt die Aufnahme des Themas in die Tagesordnung. TTIP hat durchaus das Potenzial, das Gemeinwohl zu gefährden. Sie bittet, bei Nichtbeachtung der Forderungen aus dem Positionspapier die Mandatsträgerinnen und -träger aufzufordern, der transatlantischen Investitionspartnerschaft nicht zuzustimmen.

Stadtrat Dr. Graf von Westerholt hält die Vorlage der Verwaltung für ausgewogen - es fehlt jedoch die Meinung der Weltmarktführer. Dennoch kann sich die CDU-Fraktion vorstellen, sich hinter das Positionspapier der Spitzenverbände zu stellen.

Stadtrat Kaiser ist der Meinung, dass das Handelsabkommen die im Positionspapier genannten Punkte enthalten muss. Nachdem das Freihandelsabkommen in großen Teilen der Bevölkerung kritisch gesehen wird, muss dieses Thema Gegenstand der öffentlichen Diskussion sein.

Stadtrat Felger berichtet von Schwierigkeiten seiner Fraktion, die sich ihre Informationen alle selbst zusammentragen muss. Aber auch die Selbstständigen haben über ihre Berufsverbände ähnliche Einschätzungen erhalten. In der Praxis gibt es hunderte von Freihandelsabkommen - alle waren jedoch offen, transparent und verhandelbar. In diesem Fall haben die Verhandlungen hinter verschlossenen Türen zu großen Unsicherheiten geführt. Außer dem BDI haben nahezu alle Mittelstandsvereinigungen, Berufsverbände und der Beamtenbund Einwände und Bedenken gegen dieses Freihandelsabkommen vorgebracht. Die Befürworter sollten vermehrt die Gelegenheit nutzen, ihre Argumente vorzutragen. Seine Fraktion ist mit der hier vorliegenden Sitzungsvorlage und den im Positionspapier genannten Punkten einverstanden.

Stadtrat Preisendanz hält die Relevanz eines Gemeinderatbeschlusses aus Schwäbisch Hall für die Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten von Amerika für äußerst gering. Es handelt sich bei der Abstimmung über vorliegendes Positionspapier um Symbolpolitik. Die Geschichte zeigt jedoch, dass Freihandelsabkommen sich sowohl positiv auf die Weltwirtschaft und die friedliche Völkergemeinschaft auswirken.
In der Vergangenheit wurden von Deutschland oftmals Schiedsgerichte verlangt, weshalb er nun nicht versteht, warum diese im Rahmen des Freihandelsabkommens so kritisch gesehen werden. Für ihn sind noch viele Fragen offen - seine Fraktion wird jedoch dem symbolischen Akt zustimmen.

Für Oberbürgermeister Pelgrim ist die Ausgestaltung des Abkommens eine Frage des Gesellschaftsmodells. Schwierig hierbei ist, dass es keine einheitliche Verhandlungsführerschaft gibt, da es in unterschiedliche Staaten verschiedene Organisationsmodelle kommunaler Daseinsvorsorge gibt. Handel und Wirtschaftsbeziehungen spielen hierbei jedoch nicht die Hauptrolle. Wichtigster Aspekt im Rahmen eines Staatsgefüges sind die normsetzenden Einheiten und die dazugehörige, unabhängige Gerichtsbarkeit.

Stadtrat Härtig sieht die Wirksamkeit eines Beschlusses des Schwäbisch Haller Gemeinderats nicht so pessimistisch. Er wünscht sich, dass die Stimme Schwäbisch Halls bis nach Brüssel durchdringt. Es wurde sehr viel über den freien Handel gesprochen - für ihn geht das Freihandelsabkommen jedoch darüber hinaus. Es hält das Freihandelsabkommen für einen Ausverkauf europäischer Werte und Standards hinsichtlich Umwelt, Soziales, Verbraucherschutz und Rechtsstaatlichkeit. Stadtrat Härtig plädiert dafür, den Beschlussantrag der Nr. 2 und 3 wie folgt zu verschärfen: Bundesregierung und Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie die Abgeordneten des Europäischen Parlaments des Bundestags sowie des Landtags sollen sich nicht nur für die im Positionspapier genannten Punkte „einsetzen“. Sollten die genannten Punkte im Freihandelsabkommen nicht erfüllt werden, sollen die Genannten das Freihandelsabkommen „ablehnen“.

Stadträtin Koch sieht die Interessen der kleinen Bürger im Freihandelsabkommen nicht gewahrt. Gesundheitsvorsorge findet nicht den gebotenen Stellenwert. Leider wurden auch in diesem Punkt die Meinung des Schwäbisch Haller Bündnisses gegen TTIP nicht ausreichend gehört.

Stadtrat Nestl hält die geheime Aushandlung des transatlantischen Handelsabkommens für normal. Es passiert heute öfter, dass Verhandlungen zunächst hinter verschlossenen Türen erfolgen - stehen die Eckpunkte jedoch fest, ist die Öffentlichkeit zu informieren.

Beschluss

- Empfehlung an den Gemeinderat -

  1. Der Gemeinderat der Stadt Schwäbisch Hall schließt sich den Forderungen des vom Deutschen Städtetag, Deutschen Landkreistag, Deutschen Städte- und Gemeindebund sowie dem Verband kommunaler Unternehmen e.V. im Oktober 2014 verabschiedeten „Gemeinsamen Positionspapier zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen“ an.
  2. Der Gemeinderat der Stadt Schwäbisch Hall fordert die Bundesregierung und insbesondere das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf, sich im Rahmen der Verhandlungen zu TTIP in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden bei der EU-Kommission für die Belange der Kommunen und die von den kommunalen Spitzenverbänden formulierten Forderungen aus dem „Gemeinsamen Positionspapier zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen“ einzusetzen. Werden die Forderungen aus dem Positionspapier nicht beachtet, werden die Bundesregierung und das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgefordert, dem Freihandelsabkommen nicht zuzustimmen.
  3. Der Gemeinderat der Stadt Schwäbisch Hall fordert alle regionalen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, des Bundestags sowie des Landtags Baden-Württemberg auf, sich im Rahmen der Verhandlungen zu TTIP für die Belange der Kommunen und die von den kommunalen Spitzenverbänden formulierten Forderungen aus dem „Gemeinsamen Positionspapier zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen“ einzusetzen. Werden die Forderungen aus dem Positionspapier nicht beachtet, werden alle regionalen Abgeordneten des Europäischen Parlaments, des Bundestags sowie des Landtags Baden-Württemberg aufgefordert, dem Freihandelsabkommen nicht zuzustimmen.

(10 Ja-Stimmen, 1 Nein-Stimmen, 6 Enthaltungen)

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