§ 92 - Schulentwicklung und Gemeinschaftsschule (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

s. a. VFA vom 04.03.2013

Der demografische Wandel und die Veränderung des Schulwahlverhaltens mit steigenden Übergangsquoten für die Gymnasien sowie die dramatisch sinkenden Quoten für die Haupt- und Werkrealschulen rückt die Frage von Schulstandorten und Schularten zunehmend in den Blick.

In den Schulen in städtischer Trägerschaft gibt es für das Schuljahr 2013/2014 bei 520 Schulanmeldungen folgende Anmeldezahlen im Vergleich zum Vorjahr um 13 % (Stand 03/ 2013).

Schulart

Schülerinnen/ Schüler

Prozent (%)

Landesvergleich in %

Werkrealschulen

72

13,8

12,1

Realschulen

202

38,9

36,7

Gymnasien

246

47,3

44,5

Gemeinschaftsschulen

 

 

6,7

In Ergänzung zu den Sachvorträgen im BSSK am 25.02.2013 und im VFA am 04.03.2013 wird folgendes Verfahren vorgeschlagen:

Die Thomas-Schweicker-Werkrealschule und die Leonhard-Kern-Realschule sowie die Werk­realschule Schenkensee und die Realschule Schenkensee erhalten auf ihrem Weg zur Gemeinschaftsschule bzw. für ihre Schulentwicklung eine Schulbegleitung. Diesbezüglich hat die Erste Bürgermeisterin mit den Schulleitungen und der AIM Heilbronn (Akademie für innovative Bildung und Management) ein Gespräch geführt. Die AIM ist bereit, diese Schulbegleitung zu organisieren und zu finanzieren.

Für die betreffenden Schulen ist jeweils umgehend eine Absichtserklärung zur Einrichtung einer Gemeinschaftsschule gemeinsam von der jeweiligen Schulleitung und dem Schulträger an das Staatliche Schulamt einzureichen.

Aufgrund eines Vergleiches des Schulraumbedarfes mit dem Modellraumprogramm wird deutlich, dass in der Werkrealschule Schenkensee die räumliche Situation einschließlich des Raumzuschlages für die Gemeinschaftsschule für eine dreizügige Schule ausreichend ist. Die Schule ist derzeit zweizügig geführt. Laut Aussagen des Schulleiters sind für die Umwandlung der Werkrealschule in eine Gemeinschaftsschule nur kleinere bauliche Maßnahmen erforderlich, die sich auf Entfernen von Trennwänden und Einbau von Türen beschränkt.

Für die Thomas-Schweicker-Werkrealschule und Leonhard-Kern-Realschule wird das Raumprogramm im Zuge der Generalsanierung im Schulzentrum West noch untersucht.

 

Erste Bürgermeisterin Wilhelm berichtet, dass man sich seit über einem Jahr intensiv über die künftige Schullandschaft Gedanken gemacht hat. Es fanden zahlreiche Gespräche in Expertengruppen oder mit dem Kultusministerium sowie mehrere Hospitationen statt. Die anwesenden Schulleiter sowie Frau Dr. Kern als 1. Vorsitzende des Gesamtelternbeirats geben eine kurze Stellungnahme ihrer Situation ab:

Schulleiter Käßmann (Realschule Schenkensee) berichtet, dass sowohl das Gesamtlehrerkollegium als auch Schulkonferenz sich mit großer Mehrheit vorerst für die Beibehaltung der Realschule ausgesprochen haben. Sie warten auf klare Vorgaben aus dem Bildungsplan 2015, außerdem haben alle Hospitationen ergeben, dass eine Einarbeitungszeit bzw. ein Vorlauf von drei bis vier Jahren notwendig ist.

Schulleiter Ristl (Werkrealschule Schenkensee) berichtet, dass alle Kolleginnen und Kollegen an der Ausarbeitung eines Konzepts mitarbeiten. Sämtliche Gremien haben sich dafür ausgesprochen das Konzept Gemeinschaftsschule anzugehen. Schulleiter Ristl möchte zum nächstmöglichen Zeitpunkt (Oktober 2013) einen Antrag auf Einrichtung einer Gemeinschaftsschule stellen.

Schulleiter Lang (Thomas-Scheicker-Werkrealschule) berichtet von einer überwältigenden Mehrheit in den Gremien eine Gemeinschaftsschule zusammen mit der Leonhard-Kern-Realschule einzurichten. Es wurden auch schon Steuerungs- bzw. Konzeptionsgruppen eingerichtet. Schulleiter Lang erwartet nun ein klares Signal seitens des Schulträgers.

Schulleiter Kuhn (Leonhard-Kern-Realschule) berichtet von einem knappen Ergebnis zugunsten der Gemeinschaftsschule. Er hält dieses Konzept für zukunftsweisend, sofern alle Schülergruppen - einschließlich die des Erasmus-Widmann-Gymnasiums - vertreten sind.

Erste Bürgermeisterin Wilhelm bezieht Stellung aus Sicht des Schulträgers:
Sie sieht die Stadt Schwäbisch Hall ideal aufgestellt. Es sind zwei starke Schulzentren vorhanden, was Flexibilität bedeutet. Beide Schulzentren verfügen über eine verlässliche Zweizügigkeit, den Ganztagesbetrieb sowie die Schulsozialarbeit. Sie stellt die Stadt Schwäbisch Hall als verantwortungsbewussten Schulträger dar, der sich der Verantwortung stellt und gestaltet solange Handlungsspielraum vorhanden ist. Sie möchte keinesfalls durch die Entscheidungen anderer Kommunen oder der demographischen Entwicklung zu Handlungen wie Schulschließungen gezwungen werden. In der Regierungserklärung werden erstmals Mindestschülerzahlen (40 für Realschule/ Werkrealschule, 60 für Gymnasien) benannt. Vor Antragstellung auf eine Gemeinschaftsschule muss ein regionaler Schulentwicklungsplan in Abstimmung und im Konsens mit den Umlandgemeinden erarbeitet werden.

GEB-Vorsitzende Dr. Kern ist von der Konzeption der Gemeinschaftsschule fest überzeugt. Sie sieht keinen Grund, die Kinder nach Ende der 4. Klasse zu trennen. Die Schulen und die Lehrerschaft sind absolut in der Lage, differenzierten und individuellen Unterricht auch über die 4. Klasse hinaus zu gestalten. Sie hält die Gemeinschaftsschule für eine Bereicherung der Bildungslandschaft, auch wenn die Gymnasien noch nicht beteiligt sind. Die Gymnasien werden G8 und die Gemeinschaftsschulen eine G9 anbieten.

Erste Bürgermeisterin Wilhelm kommt noch einmal auf die Regierungserklärung von Bildungsminister Andreas Stoch zurück. Er trifft eine klare Aussage zugunsten des ZweiSäulen-Modells: Das Gymnasium bleibt bestehen, die 2. Säule besteht aus einem integrierten Bildungsweg Gemeinschaftsschule, in dem alle Bildungsabschlüsse möglich sind.

Stadträtin Härterich ist von der neuen Lernkultur nicht überzeugt. Die bisherige Bildungspolitik war i. E. erfolgreich und vorbildlich. Sie kritisiert, dass das Zwei-Säulen-Modell nur vorübergehend ist. Ziel der Landesregierung sei eine einzige Schulform.
In Schwäbisch Hall spricht gegen die Einführung der Gemeinschaftsschule:
1. Keine Schule ist von einer Schließung bedroht.
2. Der Bildungsplan wird erst 2015/16 vorliegen.
3. Lehrerinnen/Lehrer sind auf die neue Schulform nicht vorbereitet; es liegt kein Konzept vor, alles muss selbst erarbeitet werden.
4. Die Ausweitung der Heterogenität wird zu keinen besseren Lernerfolgen führen.
5. Die Haller Kinder sollten nicht als „Versuchskaninchen“ dienen.

Stadtrat Kaiser hat zahllose Versuche miterlebt, das dreigliedrige Schulsystem zu retten. Das neue System stellt eine Herkules-Aufgabe dar, ist jedoch aus demografischer Sicht unabwendbar. Die Einführung der Gemeinschaftsschulen trifft auf ideale Voraussetzungen (s. Äußerungen Erste Bürgermeisterin Wilhelm, oben). Es ist klar, dass der Lehrkörper noch qualifiziert werden muss. Die Heterogenität in den Schulen selbst ist bereits vorhanden.
Stadtrat Kaiser ist der Ansicht, dass im Laufe des Engagements der jeweiligen Schulen durchaus eigene Lösungen und Profile erarbeitet werden können. Er hält es nun an der Zeit, ein deutliches Signal an alle Beteiligten zugunsten der Gemeinschaftsschule zu senden.

Für Stadtrat Waller konnten die Schwächen der Gemeinschaftsschule in der Diskussion nicht entkräftet werden. Ihn hat jedoch das bisherige Engagement der Lehrerschaft und deren engagiertes Eintreten für eine Gemeinschaftsschule überzeugt.

Stadtrat Härtig ist gerne bereit, das von den Schulleitern geforderte Startsignal zu geben. Die Schulen sind konzeptionell gut aufgestellt und haben gute Vorarbeit geleistet. Er möchte nun den Schulen ermöglichen, neue Wege zu gehen. Die Gemeinschaftsschule ist keine Einheitsschule und hat mit „Gleichmacherei“ nichts zu tun. Sie erfordert komplett andere Lehrmethoden, die jedoch mehr den modernen Berufsanforderungen entsprechen. Stadtrat Härtig hält es an der Zeit, in der Bildungspolitik neue Wege zu gehen und bittet um ein positives Votum.

Stadtrat Preisendanz fordert, das bisher erfolgreiche Schulsystem nicht in Frage zu stellen. Das bisherige Schulsystem ist mit ein Grund für den Erfolg unseres Bundeslandes mit einem hohen Maß an Innovation, geringerer Jugendarbeitslosigkeit und erfolgreichen Facharbeiterinnen und -arbeitern. Eine Durchlässigkeit des Schulsystems ist gegeben und die Zahl der Gymnasiasten mit Migrationshintergrund bzw. aus sozial schwachen Familien steigt stetig. Stadtrat Preisendanz ist überzeugt davon, dass aufgrund der demografischen Entwicklung nicht alle Schulen gehalten werden können - dem könnte man jedoch mit Schulzusammenlegungen begegnen. Er fragt sich darüber hinaus, wie die Schwäbisch Haller Schulen mit den veränderten Bedingungen zurecht kommen. Er sieht die Gefahr, dass durch sinkende Schülerzahlen die Breite des gymnasialen Angebots leidet. Auch Forschungen belegen, dass in den Gemeinschaftsschulen die besseren Schülerinnen/ Schüler ins Hintertreffen geraten. Er zweifelt außerdem daran, dass die Lernbegleiterinnen/ -begleiter ihren Aufgaben gewachsen sind und hinsichtlich der Individualisierung bestehen können - dies war schon in einem dreigliedrigen Schulsystem mehr als schwierig.
Stadtrat Preisendanz zweifelt an der Aussage des Ministerpräsidenten, die Gymnasien im Bestand zu halten, da die verbindliche Grundschulempfehlung weggefallen ist, es Versetzungen und Bewertungen nicht mehr geben wird und keine gymnasialen Lehrpläne mehr vorhanden sind und auch die Ausbildung von Gymnasiallehrern abgeschafft werden soll. Seine Fraktion wird dem Antrag der Verwaltung auf Einrichtung von Gemeinschaftsschulen daher nicht folgen.

Stadtrat Wanner weist darauf hin, dass bei Planung der Oberstufe der Gemeinschaftsschulen die beruflichen Gymnasien nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Hier sind bereits erfolgreiche Strukturen vorhanden, die genutzt werden sollten.

Stadtrat Kaiser kritisiert die gymnasiale Sicht von Stadtrat Preisendanz. Er möchte keinesfalls am Bestand des Gymnasiums rütteln - das Gymnasium soll in seiner Bedeutung erhalten bleiben.

Stadträtin Härterich hält es für übertrieben, alle Nicht-Gymnasiasten zu stigmatisieren und als verzweifelte Menschen darzustellen. Auch sie möchte vor allem die berufsbildenden Gymnasien nicht antasten. Sie begrüßt die Vielfalt des Schulangebots in Schwäbisch Hall.

Oberbürgermeister Pelgrim hält die Art der Bildungslandschaft für ein entscheidendes Kriterium für die Attraktivität einer Stadt. Die Stadt Schwäbisch Hall übernimmt nicht nur Verantwortung für ihre Schülerinnen und Schüler sondern auch für die der Umlandgemeinden. Schwäbisch Hall darf nicht davon ausgehen, dass Schulschließungen für sie kein Thema ist, da auch hier der demografische Wandel erkennbar ist und verändertes Übergangsverhalten festgestellt werden kann. Oberbürgermeister Pelgrim stellt klar, dass die Entscheidung des Gemeinderats heute sich auf eine Antragstellung aus den jeweiligen Schulen bezieht. Schulleitungen, Lehrerschaft, Eltern und Schülerschaft haben sich viele Gedanken gemacht und lange diskutiert. Aus diesem Prozess sind verschiedene Anträge entstanden, die heute zur Abstimmung gestellt werden. Er bittet den Gemeinderat, sich diesem Anliegen nicht zu verschließen. Folgt man den Anträgen der Schulen wird Schwäbisch Hall ein äußerst breites Angebot in der Bildungslandschaft aufweisen können (zwei Gymnasien, eine Realschule, zwei Gemeinschaftsschulen - hiervon eine mit gymnasialem Aufsetzer, Förderschulen, Waldorfschule, Kooperation mit Michelbach und berufliche Schulen). Dies stellt eine äußerst positive Entwicklung dar und die freie Schulwahl ist gewährleistet. Er bittet nun um ein klares Signal für die Schulen, Schulleitungen, Schülerinnen und Schüler, Eltern und die Lehrerschaft.

Beschluss:

  1. Der Gemeinderat beschließt die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule in der Werkrealschule Schenkensee zum Schuljahr 2014/2015 und ermächtigt die Verwaltung, die dafür notwendigen Schritte einzuleiten. Das pädagogische Konzept der Schule wird bis zur Antragsstellung (01.10.2013) vorgelegt.
  2. Der Gemeinderat beschließt die Einrichtung einer Gemeinschaftsschule mit gymnasialer Oberstufe, bestehend aus der Thomas-Schweicker-Werkrealschule und der Leonhard-Kern-Realschule zum Schuljahr 2015/2016. Die Verwaltung wird ermächtigt, die dafür notwendigen Schritte einzuleiten. Das pädagogische Konzept wird bis zur Antragsstellung (01.10.2014) vorgelegt. Eine Zusammenarbeit mit den gymnasialen Angeboten in der Stadt ist dabei zu prüfen.

(19 Ja-Stimmen, 15 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen)

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