§ 81 - Bekämpfung der Eichenprozessionsspinner (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

Seit Beginn der 90er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts hat die Massenentwicklung des Eichenprozessionsspinners (Thaumetopoea processinea) in Deutschland an Intensität zugenommen. Diese Schmetterlingsart, die in Mitteleuropa beheimatet ist, lebt vorwiegend auf Eichen. Massenvermehrungen dieses Forstschädlings können vor allem durch besondere Umweltbedingungen, wie warme, trockene Winter ausgelöst werden. Der eigentliche (Fraß-)Schädling in unseren Wäldern ist aber die Larve bzw. Raupe, deren dichte Behaarung bei uns auf der Haut und an den Schleimhäuten toxische und / oder allergische Reaktionen hervorrufen kann.

Von Anfang an leben die Raupen in Familienverbänden, sammeln sich an locker zusammen­gesponnenen Blättern und Zweigen und gehen vorwiegend in den Nacht- bzw. Dämmerungsstunden in Gruppen von 20 bis 30 Individuen in „Prozessionen“ auf Nahrungssuche. Ältere Raupen ziehen sich Mitte Juni tagsüber und zur Häutung in mit Kot und alten Larvenhäuten gefüllte Raupennester (Gespinstnester) am Stamm oder in Astgabeln zurück. Die Verpuppung findet Ende Juli / Anfang August in ovalen, braunen Kokons, die dicht aneinander gedrängt im Gespinstnest liegen, statt. Die Puppenruhe dauert drei bis fünf Wochen, bis die neue Generation der kleinen, unscheinbaren Falter zu sehen ist.

Ab dem 3. Larvenstadium entwickeln die Larven des Eichenprozessionsspinners sehr feine, mit Widerhaken versehene Brennhaare, die sehr leicht abbrechen und mit dem Wind verdriftet werden können. Auch die Brennhaare der alten Larvenhäute, die nach der Häutung im Raupennest zurückgelassen werden, behalten ihre Wirkung über mehrere Jahre bei. Die Brennhaare haften zudem nicht nur in der näheren und weiteren Raupennestumgebung, sie haften auch in der Bekleidung und an Schuhen und stellen so über einen längeren Zeitraum eine latente Gefahr dar. Die Brennhaare können eine allergische Reaktion auslösen, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich ausgeprägt ist. Empfindlichkeit und Reaktionsintensität steigen mit der Häufigkeit unserer Exposition gegenüber den Brennhaaren.

Die Stadt hat schon vor 10-15 Jahren begonnen, einzelne Vorkommen des Eichen­prozessionsspinners zu bekämpfen. Nach dem trockenwarmen Sommer 2003 wurde der Befall in der ganzen Region Franken stärker, so dass der Städtische Werkhof eine prophylaktische Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners an nach und nach allen mehr oder weniger befallenenen Eichen begonnen hat, aus Zeit- und Kostengründen auch aus der Luft mit Hubschrauber. Zum Einsatz kam ein systemisches Präparat Dipel ES, aus Endotoxinen, die von dem Bodenbakterium Bacillus thuringiensis var. kurstaki gebildet werden. Diese wurden von den Raupen beim Blattfraß aufgenommen. Die Endotoxine zerstören die Darmwand der Raupen und bewirken so einen schnellen Fraßstopp und ein Absterben innerhalb weniger Tage. Einzelne Larven erreichten trotz dieser Bekämpfung das dritte Larvenstadium und bildeten Nester mit Nesselhaaren. Diese Nester wurden von Mitarbeitern des Städtischen Werkhofes sehr aufwändig abgeflammt.

Durch eine Änderung des Pflanzenschutzgesetzes Anfang 2012 und entsprechende, juristische Auslegungen, die die Eichenprozessionsspinnerbekämpfung als Gesund­heits­schutz unter die Rechtsgrundlage des Biozidrechtes stellen, ist die rechtliche Situation der Bekämpfung nicht mehr eindeutig. Deshalb wurde im Frühjahr 2012 vom Städtischen Werkhof die Anwendung des Behandlungsmittels auf ein nach Biozidrecht zugelassenes Mittel geändert und im Jahr 2012 ca. 1.000 Eichen im Stadtgebiet und auf dem Waldfriedhof mit dem damals einzig zulässigen Mittel NeemProtect mit hohem Aufwand behandelt. Danach wurde nur vereinzelt ein nachträglicher Befall registriert, und keine aufwändige Nachbehandlung durch Abflammen mehr notwendig.

NeemProtect ist ein umweltgefährliches, systemisches Breitbandinsektizid das allergische Reaktionen hervorrufen kann. Von der BAUA (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin) wird die 2012 vom Werkhof durchgeführte, vorbeugende Behandlung nicht empfohlen. Der Einsatz von Biozid-Produkten soll durch die Berücksichtigung von Alternativen minimiert werden.

Eine Alternative (1) ist, die Bekämpfung des Eichenprozessionsspinners wie die früheren Jahre vor 2012 auch weiterhin als Pflanzenschutzmassnahme gegen Frassschäden bei Eichen anzusehen, womit das Pflanzenschutzgesetz gilt, und das wesentlich umweltunschädlichere Mittel Dipel ES vorbeugend zur Anwendung kommen kann. Das Mittel wird im großen Stil in der Land- und Forstwirtschaft angewendet. Eine Anwendung aus der Luft wie in früheren Jahren ist jedoch aus rechtlichen Gründen grundsätzlich ausgeschlossen. In Folge der Pflege und dem Schutz der Eichenbestände kommt eine Gefährdung des Menschen durch den Eichenprozessionsspinner so gut wie nicht mehr zum Tragen. Die Anwendung zum Gesundheitsschutz im Zuge des Biozidrechtes mit wesentlich umweltschädlicheren Mitteln müsste dann nicht mehr erfolgen.

Eine andere Alternative (2) wäre, nur diese Eichenbestände mit dem Biozid NeemProtect zu behandeln, an denen in den letzten Jahren ein Eichenprozessions­spinnerbefall nachgewiesen, und die Bevölkerung in Mitleidenschaft gezogen wurde. Dies wären hier z.B. die Eiche am Steggartenweg in Gottwollshausen. In Einzelfällen wie im Bereich Teurershof I kommt auch eine Umnutzung in Frage. Zusätzlich sollten dann auch die Eichen im Bereich von Kindergärten und Schulen mit dem Biozid behandelt werden. Bei allen anderen Eichen, auch denen an Radwegen und in Grün- und Parkanlagen, sollten keine vorbeugenden Maßnahmen ergriffen werden. Die Bevölkerung wird umfassend über die Gründe der reduzierten Maßnahmen und über entsprechende Vorsichtsmaßnahmen informiert. Die Eichen sollen beobachtet und ein eventueller Befall dokumentiert werden. Bei einem Befall und einer daraus erfolgenden Beeinträchtigung der Bevölkerung, wird der Bereich großräumig abgesperrt und die Gespinstnester mechanisch sehr aufwändig mit einem Kleberverfahren beseitigt.

Die Kosten für die Alternative 1 sind relativ exakt kalkulierbar und erstrecken sich auf die flächendeckenden vorbereitenden Arbeiten, sowie klar abgrenzbare Angebote von Bekämpfungsfirmen. Bei der Alternative 2 besteht eine große Unsicherheit im Hinblick auf Kosten der Kontrolle aller Bäume und vor allem auf die bei möglichem Befall anfallenden Kosten für Absperrung und aufwändiger mechanischer Beseitigung und Entsorgung.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin geht bei beiden Mitteln von Risiken für die Umwelt aus, die jedoch aufgrund ihrer Wirkung auf Nichtzielorganismen unterschiedlich hoch sind. So wirkt sich die Anwendung von Dipel ES auf deutlich weniger Insektenarten aus als das Breitbandinsektizid NeemProtect und ist deshalb weit weniger umweltschädlich. Die Verwaltung empfiehlt deshalb und auch aus Gründen der Kostentransparenz, die Bekämpfung des Fraßschädlings Eichenprozessionsspinner als Pflanzenschutz zu betreiben und flächendeckend den Wirkstoff Dipel ES anzuwenden.

Aufgrund der vorangeschrittenen Jahreszeit erfolgt eine Beauftragung nach der BPA-Sitzung ohne weitere Beratung im Gemeinderat.

 

Werkhofleiter Wellinger aktualisiert die Sitzungsvorlage: Am 22.04.13 hat das Mittel Dipel ES vom Julius-Kühn-Institut eine Zulassung bis 2016 erhalten. Man wird weiterhin das Mittel Dipel ES, welches vom Boden aus ausgebracht werden kann, zur Anwendung bringen.

Die Ausführungen der Verwaltung werden zur Kenntnis genommen.

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