TOP 1 - Sachstandsbericht Weilertunnel; hier: Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 09.12.2022 und Antrag der FDP Fraktion vom 15.12.2022 (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sitzungsvorlagen-Nummer: 8/23

Sachvortrag:

Aufgrund von Anträgen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und der FDP-Fraktion findet am 23. Januar 2023 eine Sondersitzung des Gemeinderats zum Weilertunnel statt, bei der der aktuelle Sachstand und das weitere Vorgehen vorgestellt werden.

Zur Vorbereitung wird auf die umfangreiche Sitzungsvorlage § 33 / 21 "Sachstandsbericht Weilertunnel" mit Anlagen vom 1. März 2021 verwiesen (Anlagen 1-3). Diese Unterlagen enthalten umfassende Ausführungen zur Historie der Maßnahme, zur Abwicklung ab Bau­freigabe 2015, zur Kostenfortschreibung, zum Stand im März 2021 und einen Ausblick zum damaligen Zeitpunkt. Letzterer bezog sich unter anderem auf folgende Punkte, die sich seitdem wie folgt weiter entwickelt haben:

- Übergang Planungsverantwortung:

Vor dem Hintergrund der anhaltend schwierigen Personalsituation in der städtischen Bauverwaltung wurde eine zeitnahe Übernahme der Umsetzungsverantwortung durch die Straßenbauverwaltung des Landes angestrebt, um den Projektfortschritt nicht zu gefährden. Zwar wurde hierüber noch keine Nachtragsvereinbarung geschlossen, dennoch erfüllt das Regierungspräsidium Stuttgart seine Zusagen von 2021 und hat bereits wesentliche Teile der fachlichen Projektbegleitung übernommen, indem es insbesondere seinen tunnelbautechnischen Sachverstand in das Projekt einbringt.

- Geologisches und hydrogeologisches Gutachten:

Im Frühjahr 2021 wurde mit einem Abschluss der Planungsphase Ende 2021 gerechnet, vorbehaltlich des Bodengutachtens, welches nach den zusätzlichen Bodenerkundungen überarbeitet werden musste. Nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen sind noch weitere Untersuchungen der Grundwasserstände erforderlich (nähere Ausführungen hierzu in der Sitzung). Die Ergebnisse dieses Monitorings werden Ende 2023 erwartet und werden aller Voraussicht nach Auswirkungen auf die bestehende Entwurfsplanung haben und diverse Umplanungen erfordern.

- Kostenfortschreibung

Zwischen dem Land und dem Bund wurde vereinbart, die Überarbeitung der Unterlagen für die Kostenfortschreibung vorerst zu stoppen, bis die zu überarbeitende Entwurfsplanung abgeschlossen ist. Aufgrund der zu erwartenden Umplanungen und der allgemein dynamischen Baupreisentwicklung ist davon auszugehen, dass die im März 2021 prognostizierten Gesamtkosten weiter gestiegen sind.

- Weilervorstadt

Im Gemeinderat am 1. März 2021 wurde beschlossen, unmittelbar nach Übergabe der Planungsverantwortung für den Weilertunnel mit den Grundlagenermittlungen und Vorbereitungen für die städtebauliche Entwicklung der Weiler- und Katharinenvorstadt zu beginnen. Hierzu zählt insbesondere die Festlegung der verkehrlichen Anforderungen an die Planungsaufgabe, da die Sanierungsplanung in den beiden Vorstädten vor allem von der Lösung der verkehrsplanerischen und straßenbautechnischen Probleme am schwierigen Verkehrsknoten "Scharfes Eck" abhängt. Das Büro, welches auch das Mobilitätskonzept "Gemeinsam mobiler" für die vereinbarte Verwaltungsgemeinschaft und Untermünkheim erstellt, wurde im Oktober 2021 mit einer gesonderten Verkehrsuntersuchung für das "Scharfe Eck" beauftragt, um die komplexen verkehrsplanerischen Fragestellungen in Form von Planfällen zu beantworten, auch im Hinblick auf Fußverkehr, Radverkehr und ÖPNV. Neben der Erhebung aktueller Daten zur Ermittlung von Verkehrsströmen bedarf es zur Beurteilung der Planfälle und deren verkehrlichen Wirkungen eines Verkehrsmodells. Dieses wird derzeit im Rahmen des Mobilitätskonzepts erarbeitet und in den nächsten Wochen verfügbar sein.

Aktuelle Entwicklung

Im Oktober 2022 hat das Verkehrsministerium Baden-Württemberg (VMBW) als Auftragsverwaltung des Bundes dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) vorgeschlagen, "vor dem Hintergrund der großen Kostensteigerungen und der niedriger anzusetzenden Verkehrsbelastung des Tunnels", diesen nicht weiter als zweiröhrigen, sondern als einröhrigen Tunnel zu planen.

In seiner Antwort an das Land, die der Stadt seit Mitte Dezember vorliegt, bezieht sich das BMDV auf einen Besuch des Parlamentarischen Staatsekretärs Michael Theurer Anfang November 2022 in Schwäbisch Hall, bei dem sich dieser über verschiedene Schienen- und Straßenprojekte in der Region informiert hatte. Das Ministerium schreibt: "Es wurde zwischen dem Land und dem Bund Einvernehmen erzielt, dass zunächst die verkehrlichen Rahmenbedingungen geklärt werden müssen, um weitergehende Entscheidungen treffen zu können. Dazu werden die Stadt und das Land die notwendigen Abstimmungen durchführen, um die für die Bemessung des Tunnels erforderlichen Prognoseverkehrsstärken festlegen zu können. Diese Verkehrsstärke ist abhängig von der Gestaltung der an den Tunnel unmittelbar anschließenden Knotenpunkte, die die in die Stadt fließenden Verkehre aufnehmen. Je nach der von Schwäbisch Hall angestrebten innerstädtischen Verkehrsführung sind Auswirkungen auf die prognostizierte Verkehrsstärke im Tunnel zu erwarten.“

Am 09.12.2022 stellten die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und am 15.12.2022 die FDP-Fraktion die im Betreff genannten Anträge.

Mit Schreiben vom 19.12.2022 bittet das VMBW die Stadtverwaltung, die notwendigen Abstimmungen mit dem RP Stuttgart bezüglich der Fortschreibung der Verkehrsuntersuchung durchzuführen. Die Ergebnisse sollen zeitgleich zu denen der hydrogeologischen Untersuchungen des RP Stuttgart bis spätestens Ende 2023 vorliegen, so dass dann die weitergehenden Entscheidungen getroffen werden können.

Stellungnahme der Verwaltung

Unmittelbar nach Bekanntwerden der Anregung aus dem Landesverkehrsministerium, die Planungen für den Weilertunnel zu überprüfen, entbrannte sowohl im Gemeinderat als auch in der Öffentlichkeit eine kontroverse Debatte, die in Teilen als Grundsatzdiskussion für oder gegen den Weilertunnel geführt wird.

Hierzu ist festzustellen, dass es sich beim Projekt "B14/B19 Verlegung in Schwäbisch Hall" um eine laufende Maßnahme im Bundesverkehrswegeplan 2030 handelt. Im Januar 2023 hat der Parlamentarische Staatsekretär im BMDV Michael Theurer bestätigt, dass diese gesetzlich verankerte Maßnahme nicht in Frage gestellt sei und umgesetzt werde.

Zudem wird eine auf ein"Ja" oder ein "Nein" verkürzte Diskussion der Komplexität der verkehrsplanerischen, bautechnischen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Fragestellungen nicht gerecht. Vielmehr bedarf es einer sorgfältigen, qualifizierten und zukunftsgerichteten Auseinandersetzung mit den Gegebenheiten, den veränderten Rahmenbedingungen und den verkehrlichen wie städtebaulichen Zielsetzungen.

Das Land in seiner Funktion als Auftragsverwaltung ist nach dem Rückgang der ursprünglich anzusetzenden Verkehrszahlen zwischenzeitlich zu der Einschätzung gekommen, dass zwei Tunnelröhren nicht mehr erforderlich seien, um die verkehrlichen Ziele der Maßnahme in Bezug auf die Leistungsfähigkeit der Ortsdurchfahrt zu erreichen. Durch den Verzicht auf eine Röhre könnten die Kosten für den Tunnel reduziert werden.

Im Bundesverkehrswegeplan 2030 ist die Maßnahme auch hinsichtlich der städtebaulichen Relevanz ausdrücklich mit „hoch“ beurteilt. Durch die Verlagerung des Durchgangsverkehrs in den Tunnel entstehen Entlastungen im Bereich der oberen Johanniterstraße, die Spielräume für deren Umgestaltung schaffen. Nach einer deutlichen Reduzierung des Verkehrs kann der Straßenzug, dessen Randbebauung durch die lang anhaltende Verkehrsbelastung beeinträchtigt ist, in seiner gesamten Struktur aufgewertet werden. Dies bedeutet nicht nur Verbesserungen des städtebaulichen Erscheinungsbildes, sondern vor allem auch der Wohn- und Arbeitsverhältnisse in den betroffenen Bereichen.

Für die Stadt stand dieser Nutzen bereits in den 1980er Jahren im Vordergrund, als der Weilertunnel als Alternative zum Ausbau der Johanniterstraße und der Stadtgrabentrasse entwickelt wurde. In einer Broschüre zum Weilertunnel schreibt die Stadt später: "[...] Die Weilervorstadt leidet jetzt schon sehr stark unter der Ortsdurchfahrt der Bundesstraße und die Entwicklungschancen dieses Stadtteiles sind erheblich eingeschränkt. Eine Verbreiterung der bestehenden Trasse ist aus städtebaulicher und stadtgestalterischer Sicht nicht vertretbar, da sie die Bausubstanz weiter schädigt und gefährdet, sowie ihre Nutzung noch weiter beeinträchtigt. Damit würden auch die Chancen einer grundlegenden Sanierung und Aktivierung der Vorstadt vertan. Die städtebaulichen Mängel können nur durch eine Umfahrung der Weilervorstadt behoben werden. Ergebnis verschiedener Planungsvarianten hinsichtlich dieser Umfahrung ist die Tunnellösung. [...]"

Im Stadtleitbild 2025 wird der Weilertunnel unter dem Oberziel "Interessenausgleich zwischen Verkehr, Wohnen und Aufenthaltsqualität" und Teilziel "Entlastung der Wohngebiete vom Durchgangsverkehr durch Erweiterung des Straßennetzes" geführt.

Die städtebaulichen Zielsetzungen zur Entlastung der Weilervorstadt von Verkehr, Lärm und Feinstaub, zur Verbesserung der Wohn- und Arbeitsverhältnisse und im besten Falle zur Schaffung eines attraktiven Quartiers mit qualitätvollen Freiräumen haben nach wie vor Gültigkeit. Dieses Ziel ist nicht zu erreichen, wenn weiterhin ca. 20.000 Fahrzeuge täglich die Weilervorstadt durchfahren. Auch reichen die vorhandenen Straßenquerschnitte im Bestand nicht aus, um bei ca. 20.000 Fahrzeugen gleichzeitig eine zukunftsfähige Lösung für den Fuß-, Rad- und Busverkehr zu ermöglichen.

Andererseits zeigt sich an verschiedenen Stellen, dass gerade dieses Ziel der Verkehrswende auch mit der "aktuellen" Planung der 1990er Jahre nicht zufriedenstellend erreicht werden kann. Insbesondere der zwischenzeitlich deutlich gestiegene Radverkehrsanteil entlang der Stuttgarter Straße war seinerzeit nicht absehbar und wurde dementsprechend nicht nach den heutigen Anforderungen berücksichtigt. Limitierender Faktor ist dabei vor allem der enge Querschnitt des Eisenbahnviaduktes. Auch die Bewältigung von Abbiegebeziehungen stellt eine große planerische Herausforderung dar.

Vor diesem Hintergrund bewertet die Verwaltung den Vorschlag von Bundes- und Landesverkehrsministerium als Chance, eine Maßnahme des Bundesverkehrswegeplans, die vor vielen Jahren geplant wurde, in Form von Alternativen zu überprüfen. Sollte sich herausstellen, dass mit einer alternativen Planung die bisherigen und künftigen verkehrlichen und städtebaulichen Ziele gleichermaßen zu erreichen sind - bei Berücksichtigung aller Verkehrsträger - ist dies im beiderseitigen Interesse von Bund und Stadt.

Weiteres Vorgehen

Mit dem in Kürze zur Verfügung stehenden Verkehrsmodell steht ein Planungswerkzeug zur Verfügung, mit dem verschiedene Planfälle und deren verkehrlichen Wirkungen beurteilt werden können. Aus den Berechnungen mit dem Verkehrsmodell ergeben sich die zukünftigen Verkehrsmengen im Streckenverlauf und an den Knotenpunkten, mit denen dann Leistungsfähigkeitsberechnungen durchgeführt werden. Im Ergebnis wird ermittelt, ob ein einröhriger Tunnel ausreichend leistungsfähig ist und wie die Knotenpunkte ausreichend leistungsfähig auszubilden sind. Im letzten Arbeitsschritt wird entwurfstechnisch geprüft, ob bzw. wie die konzeptionellen Ansätze eines Planfalles sowie die berechneten verkehrstechnischen Anforderungen auf den vorhandenen Flächen umsetzbar sind. Aus der Bewertung der Varianten ergibt sich ein Vorschlag für eine Vorzugsvariante. Die Bewertungskriterien umfassen Städtebau, Freiraumqualität und verkehrlich funktionale Qualitäten im Hinblick auf Fußverkehr, Radverkehr, ÖPNV sowie ruhenden und fließenden Kfz-Verkehr.

Weiter wird vorgeschlagen, den Gemeinderat über eine Projektgruppe, bestehend aus den Fachverwaltungen und jeweils einem Mitglied jeder Fraktion sowie eine/r Vertreter/in der Fraktionslosen, einzubinden. In dieser Projektgruppe könnte außerhalb der Sitzungszyklen des Gemeinderats flexibel und bei Bedarf über Arbeitsstände informiert und gesprochen werden. Angesichts der Komplexität der Aufgabe und des hierfür zur Verfügung stehenden kurzen Zeitraums trägt dieses Vorgehen zur Beschleunigung der Abläufe bei.

Anlagen:
Anlage 1: Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 09.12.2022     
Anlage 2: Antrag der FDP-Fraktion vom 15.12.2022
Anlage 3: Sitzungsvorlage § 33/21 zum Gemeinderat am 01.03.2021*
Anlage 4: Anlage 3 zur Sitzungsvorlage § 33/21*
Anlage 5: Anlage 4 zur Sitzungsvorlage § 33/21*
 

*im Ratsinformationssystem der Stadt Schwäbisch Hall abrufbar

Beschlussantrag:

1. Der Sachstandbericht wird zur Kenntnis genommen.

2. Dem Vorschlag zur Einrichtung einer Projektgruppe wird zugestimmt. 
    (27 Ja-Stimmen, 4 Enthaltungen)

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