§ 75/4 - Verschiedenes: Geplante Verwaltungsreform des Landes Baden-Württemberg (Schreiben Städtetag) (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

Sehr geehrter Herr Strampfer,

im Anschluss an die 2. Sitzung des Lenkungsausschusses Verwaltungsreform und Bürokratieabbau am 27.05.2003, in der wir bereits zu den Grobkonzepten und der ersten vorläufigen Bewertung des Innenministeriums Stellung genommen haben, nehmen wir hiermit nochmals ergänzend wie folgt Stellung:

  1. Der Städtetag ist - wie schon mehrfach artikuliert - nachhaltig der Auffassung, dass es bei der vom Land vorgesehenen Reform, die wir unterstützen, nicht um die Übertragung von Ämtern handelt, sondern dass bestehende Behörden aufgelöst werden sollen und die dort bisher wahrgenommenen Aufgaben auf die Stadt- und Landkreise zu übertragen sind. Die Zuordnung der zu übertragenden Aufgaben muss individuell bei jeder Kommune im Rahmen ihrer Organisationsgewalt entschieden werden. Unter dieser Prämisse sind die Stadtkreise ausdrücklich dazu bereit, alle anstehenden Aufgabenbereiche wie folgt zu übernehmen. Zu den einzelnen Aufgabenbereichen ist Folgendes anzumerken:
    1. Im Bereich der Vermessungsverwaltung ist zu gewährleisten, dass die bisherigen kommunalen Vermessungsämter erhalten bleiben und auch noch weitere Kommunen unterhalb der Stadtkreisebene im Rahmen von § 9 Vermessungsgesetz die Option haben, Aufgaben der Vermessungsverwaltung auszuführen. Gleichzeitig sind wir der Auffassung, dass die kommunalen Vermessungsämter, die über ein hohes Maß an technischer und personeller Kompetenz verfügen, in den Regionen, in denen "Kragenkreise" bestehen, von den Landkreisen im Rahmen von öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen Aufgaben übernehmen sollten. Die dadurch möglichen Synergieeffekte sind nicht zu unterschätzen. In diesem Zusammenhang verweisen wir auch darauf, dass bereits jetzt kommunale Vermessungsämter für das Land im Rahmen von Vereinbarungen Dienstleistungen in nennenswertem Umfang erbringen.
    2. Die beabsichtigte ausschließliche Übertragung der Landwirtschaftsverwaltung auf die Landkreise wird vom Städtetag abgelehnt. Für den Bereich der Stadtkreise hat auch hier eine Übertragung stattzufinden. Darüber hinaus sind die Stadtkreise wie auch bei der Vermessungsverwaltung bereit, bei sog. "Kragenkreisen" öffentlich-rechtliche Vereinbarungen mit den Landkreisen zu schließen. Im Bereich der landwirtschaftlichen Fachschulen muss darüber hinaus eine Strukturbereinigung erfolgen.
    3. Auch für den Bereich der Forstverwaltung muss das Prinzip der Einräumigkeit für Stadt- und Landkreise Anwendung finden. Die Beschränkung der Aufgabenübertragung auf VorOrt-Landratsämter ist nicht sachgerecht.
    4. Der Städtetag lehnt für den Bereich der Versorgungsämter die vorgesehene Übertragung auf Vor-Ort-Landratsämter ab. Wir erwarten vom Land, über eine Bundesratsinitiative etwaige bundesgesetzliche Hindernisse zu beseitigen. Auch ist zu überlegen, inwieweit Aufgaben der Landeswohlfahrtsverbände mit dem Bereich der Versorgungsverwaltung verbunden werden können.
    5. Auch im Bereich der Straßenbauämter müssen wir feststellen, dass das bisherige Grobkonzept nicht dem Einräumigkeitsgrundsatz entspricht. Für den Städtetag ist es inakzeptabel, die Straßenbauämter lediglich in einige Vor-Ort-Landratsämter als untere staatliche Verwaltungsbehörden einzugliedern. Bei der Straßenbauverwaltung muss der Grundsatz der Einräumigkeit ebenfalls verwirklicht werden.
    6. Bei den Gewässerdirektionen ist ebenfalls darauf zu achten, dass eine Gleichbehandlung zwischen den Stadt- und Landkreisen erfolgt.
    7. Dasselbe gilt für den Bereich der Gewerbeaufsicht. Im Hinblick auf die in der Sitzung am 27.5.2003 im Innenministerium dargestellte "akzessorische Spezialistenlösung" wäre darüber hinaus auch eine Privatisierung oder ein Zweckverband (Bündelung des Speziallistenwissens) denkbar. Auch hier ist eine Kommunalisierung nur unter Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Stadt- und Landkreisen zu realisieren.
    8. Zurecht wird im Konzept des Innenministeriums zur Bewertung der Grobkonzepte im Bereich der Flurneuordnung dargestellt, dass das Konzept des Ministeriums Ländlicher Raum nicht den Vorgaben des Landes entspricht. Auch hier fordern wir eine Gleichbehandlung zwischen Stadt- und Landkreisen. Die Eingliederung der 19 Ämter für Flurneuordnung und Landentwicklung ausschließlich in die Landratsämter wird vom Städtetag abgelehnt. Sofern eine Gesetzesänderung nötig ist, sollte das Land aktiv werden.
    9. Im Zusammenhang mit dem Landesdenkmalamt weisen wir darauf hin, dass für den Bereich der Grundsatzfragen der Denkmalpflege auch weiterhin eine zentrale Institution sinnvoll ist. Die vorgesehene Landeszentrale für Denkmalpflege kann aus Sicht des Städtetages nur dann auf das Regierungspräsidium Stuttgart übergehen, wenn gewährleistet ist, dass von dort zeitnah diese Fachkompetenz objektiv erhalten bleibt und für die Kommunen verbindlich ist.
    10. Die Überlegungen des Kultusministeriums in Bezug auf die Schulämter sind - wie bereits am 27.05.2003 in der Sitzung vorgetragen - nicht sachgerecht. Es kann nicht sein, dass ein Verteilungsschlüssel nur anhand der Anzahl der Schulen, nicht aber nach der Größe der Schule (Lehrer-Schülerzahl) erfolgt. Die beschlossene Nachbesserung seitens des Kultusministeriums ist daher dringend erforderlich. In Bezug auf die Stadtkreise betonen wir auch hier, dass diese auch die staatliche Schulaufsicht übernehmen wollen; erst dann ist die Einheit der Verwaltung, wie sie die Reform bezwecken soll, realisiert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bislang nicht beabsichtigt war, Real- und Sonderschulkornpetenzen auf die Oberschulämter (künftig: Regierungspräsidien) zu übertragen, sondern umgekehrt die Gymnasialzuständigkeit von den Oberschulämtern auf die Schulämter (künftig: Stadt- und Landkreise) delegiert werden sollte. Bei der Neuordnung der Schulverwaltung ist nach Auffassung des Städtetages zu bedenken, dass sich einzelne Aufgaben zur Weiterdelegation auf kreisangehörige Städte eignen, so etwa bei der Einschulung, die dann rechtlich und faktisch in einer Hand läge.
    11. Der Städtetag vertritt nach wie vor die Auffassung, dass es sich bei den Aufgaben der Polizei insgesamt um eine klassische Staatsaufgabe handelt. Sollte an der teilweisen Übertragung von Polizeiaufgaben auf die kommunale Ebene festgehalten werden, sind die Stadtkreise bereit, dabei mitzuwirken. Es muss auch insofern der Grundsatz gelten, dass Stadt- und Landkreise jeweils selbständig diese Aufgabe wahrnehmen. Räumliche Überschneidungen tragen den mehrfach genannten Grundsätzen der Verwaltungsreform nicht Rechnung.
  2. Unsere Bereitschaft zur Übernahme von Aufgaben im Zuge der Verwaltungsreform steht generell unter dem Vorbehalt, dass ein voller Ausgleich der Personal- und Sachkosten (einschließlich luK) erfolgt. Dies muss selbstverständlich auch für die Versorgungslasten gelten. Der Städtetag erwartet, dass bei Aufgabenerweiterungen ein Ausgleich auch dann erfolgt, wenn er auf bundesrechtliche oder europarechtliche Regelungen zurückgeht. Für den Bereich des höheren Dienstes soll eine Abordnung vorgesehen werden. Eine Übernahme des Personals kann erst dann erfolgen, wenn der Umfang der Aufgabenübertragung geklärt ist. Es ist nach Auffassung des Städtetages nicht hilfreich, wenn bereits jetzt Gespräche mit Mitarbeitern von unteren Sonderbehörden geführt werden.
  3. Wir erwarten, dass das Land die neuen Aufgaben als weisungsfreie Aufgaben auf die kommunale Ebene überträgt.
  4. Wie bereits oben ausgeführt sollte im vorgesehenen Artikelgesetz die Möglichkeit vorgesehen sein, dass die Stadtkreise mit den benachbarten Landkreisen Vereinbarungen treffen können.
  5. Die vom Land geforderte "Effizienzrendite" in einer Größenordnung von 20 % kann nur in einem längerem Zeitraum erbracht werden. Es ist sachgerecht, bei dem geforderten vollen Kostenersatz diese Einsparungen erst nach mindestens 7 Jahren zu berücksichtigen und nach diesem Zeitraum in einem weiteren Schritt verteilt auf einige Jahre umzusetzen. Es ist keinesfalls zu akzeptieren, dass die "Effizienzrendite" in einem künftigen Landesgesetz für bestimmte Jahre auf feste Prozentsätze festgelegt wird.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Gläser

Oberbürgermeister a.D.

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