§ 52/1 - Stellungnahme der Verwaltung zum Artikel im Haller Tagblatt vom 16.05.03 mit der Überschrift „Lange Liste negativer Auswirkungen“ (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

Im o. g. Artikel wird über die Bewertung der Unterlagen des Planfeststellungsverfahrens aus der Sicht der BI „Airpeace“ berichtet. Nach Aussagen der Airpeace-Sprecher gäbe es eine lange Liste negativer Auswirkungen für die umliegende Bevölkerung, die bei genauem Lesen der Planunterlagen ermittelt wurde.

Diese These soll im Bericht durch

  1. die prognostizierte Anzahl der Flugbewegungen und
  2. durch die ermittelten Ergebnisse des Lärmgutachtens
untermauert werden.


Zu 1. wird ausgeführt:

„Bei Flugbewegungen von Propellerflugzeugen über 5,7 Tonnen und Strahlflugzeugen werde eine jährliche Steigerung von 16,6 beziehungsweise 10,5 Prozent unterstellt.“

Diese Aussage ist in dieser reduzierten Form irreführend, da es sich hierbei um eine unvollständige Information handelt. Der Leser kann hierdurch den Eindruck gewinnen, dass die Verschwenkung und Verlängerung der Start- und Landebahn unweigerlich zu einer deutlichen Ausweitung des Flugbetriebs führen wird.

Tatsache ist vielmehr, dass die Prognose der Flugbewegungen für 2010 im Rahmen der Antragsunterlagen zwei Szenarien untersucht hat, nämlich den sog. „Unteren Entwicklungspfad 2010“ und den „Oberen Entwicklungspfad 2010“. Die von Airpeace genannten Werte sind dabei ausschließlich dem Oberen Entwicklungspfad entnommen, der als Positivszenario u. a. eine steigende volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit, ein steigendes Bruttosozialprodukt sowie steigende real verfügbare Haushaltseinkommen unterstellt.

Der (- von Airpeace nicht genannte -) Untere Entwicklungspfad prognostiziert für die genannten Flugzeugkategorien keine bzw. weitaus geringere jährliche Steigerungen: die Anzahl der Startvorgänge bis 2010 bei Propellerflugzeugen über 5,7 Tonnen bleibt hierbei gegenüber dem Ausgangsjahr 2001 unverändert (+/- 0 Prozent), die jährliche Steigerung der Starts von Strahlflugzeugen liegt bei lediglich 1,1 Prozent. Das Negativszenario des Unteren Entwicklungspfades unterstellt dabei eine weniger optimistische Entwicklung der maßgeblichen wirtschaftlichen Einflussgrößen: die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wie auch das verfügbare Einkommen steigt real über den Prognosezeitraum nur noch leicht an, die Kostenanstiege liegen mittelfristig real über der Einkommensentwicklung.

Welches Szenario wahrscheinlicher ist, kann und soll an dieser Stelle nicht weiter diskutiert werden. Entscheidender für die Bewertung der Flugbewegungen ist aus fachlicher Sicht ohnehin die im Artikel nicht genannte Gesamtzahl der Starts und deren Entwicklung im Zeitraum von 2001 bis 2010:

Der Untere Entwicklungspfad geht hierbei von einer Abnahme aus. Die Zahl der Starts wird sich nach dieser Prognose von insgesamt 12.861 (2001) auf 11.700 (2010) verringern; dies entspricht einer jährlichen („negativen“) Steigerung von - 1,1 Prozent. Der Obere Entwicklungspfad als optimistisches Szenario geht von einer Steigerung auf insgesamt 18.000 Starts aus, was einer jährlichen Steigerung von 3,8 Prozent entspricht.

Die angegebenen Summen sprechen nicht für eine eklatante jährliche Steigerung der Flugbewegungen, anders, als dieses durch die im Artikel genannten Untergruppen suggeriert wird.

Tatsächlich ist der Anteil an Starts von Propellerflugzeugen über 5,7 Tonnen sowie von Strahlflugzeugen am Gesamtaufkommen des Flugbetriebs in Hessental äußerst gering. Er lag 2001 bei knapp 3,6 Prozent des Gesamtaufkommens und wird selbst beim Oberen Entwicklungspfad 2010 auf max. 5,6 Prozent ansteigen. Diese Größenklassen betreffen praktisch ausschließlich den gewerblichen Luftverkehr.

[Quelle für alle o. g. Zahlen: Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren, Prognose Airplan GmbH vom 16.02.02, Seite 38 und 43/44].


2. Entwicklung der Lärmimmissionen

Im Artikel werden Teilergebnisse aus dem „Lärmgutachten“ dargestellt. Der Leser kann hierdurch den Eindruck gewinnen, dass mit der Verschwenkung und Verlängerung der Start- und Landebahn ausschließlich negative Auswirkungen hinsichtlich der Lärmimmissionen verbunden sein werden.

Diese Schlussfolgerung wäre falsch. Die Entlastung bedeutender Siedlungsbereiche vom Fluglärm war eines der wichtigen Ziele bei den Grundüberlegungen für die Anlage einer neuen Start- und Landebahn. Das Fluglärmtechnische Gutachten von Kurz und Fischer GmbH vom 18.03.2002 als Teil der Antragsunterlagen kommt zum Ergebnis, dass sich in Folge der Verschwenkung in weiten Teilen der Stadt eine Minderung des Dauerschallpegels ergeben wird. Eine wesentliche Entlastung gegenüber der heutigen Situation wird v. a. für die Siedlungsbereiche Solpark, Schulzentrum Schenkensee, weite Teile der Kreuzäckersiedlung, Altenhausen und Tüngental prognostiziert.

Für die Bewertung der zukünftig stärker belasteten Stadtbereiche muss die bislang äußerst niedrige Grundbelastung ebenfalls berücksichtigt werden. Das genannte Gutachten führt hierzu auf Seite 26 aus:

„Zukünftig wird sich der Nordrand der Kreuzäckersiedlung unter der An-/Abfluggrundlinie befinden. In diesen Bereichen wird dies zu einer Zunahme für den Fluglärm-Beurteilungspegel von rd. 4 dB(A) führen. Dennoch wird auch zukünftig der anzustrebende Immissionsrichtwert von 55 dB(A) für Wohngebiete nicht überschritten, so dass aus schalltechnischer Sicht noch nicht von einer „wesentlichen Änderung“ gesprochen werden kann.

Durch die Verlagerung der Platzrunde und dem daraus resultierenden Heranrücken der An-/Abflugroute ergeben sich bei Matheshörlebach und Sulzdorf eine rechnerische Zunahme von 9 dB(A). Dennoch werden die maßgeblichen gebietsbezogenen Immissionsrichtwerte nach der Landeplatz-Fluglärmleitlinie für Wohngebiete immer noch deutlich um 7 bzw. 14 dB(A) unterschritten.“

Im Artikel wird das ebenfalls in den Antragsunterlagen befindliche „Lärmmedizinische Referenzgutachten“ von Prof. Dr. Dr. Kastner nicht erwähnt. Dieses Gutachten stellt auf der Basis wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse die zu erwartenden direkten und indirekten medizinischen Auswirkungen der Lärmimmissionen auf die Bevölkerung in Folge der Landebahnverschwenkung auf der Basis der prognostizierten Flugbewegungen 2010 dar.

Das Gutachten führt hierzu auf Seite 45 aus:

„Die berechneten Tages-Dauerschallpegel für die Flugbewegungen 2001 in Szenario 0 und 1 sowie für das Prognosejahr 2010 bleiben für alle Immissionsorte unterhalb der Schwelle für eine direkte Gesundheitsgefährdung durch Lärm. Die Schwelle für erhebliche Belästigung und potentielle indirekte gesundheitliche Auswirkungen von Leq = 65 dB(A) wird ebenfalls nicht erreicht. (...) Auf der Grundlage der uns zur Verfügung stehenden Daten und bei eintreten der Prognosedaten sehen wir aus lärmmedizinischer Sicht keine Probleme beim Ausbauvorhaben.“

Diese Aussagen beziehen sich selbstverständlich auch auf diejenigen Siedlungsbereiche, die zukünftig mit einer stärkeren Belastung als bisher rechnen müssen.

Entgegen der Aussage im Zeitungsartikel wird die Entlastung maßgeblicher Siedlungsbereich durch die Verschwenkung auch bei Annahme steigender Flugbewegungen im Jahre 2010 nicht „großteils wieder zunichte gemacht“. Dieses soll mit den nachfolgenden Beispielen verdeutlicht werden:

  1. Für die Wohngebäude im Solpark wird für das Jahr 2001 ein Dauerschallpegel von 56 dB(A) zugrunde gelegt. Nach einer Verschwenkung beträgt dieser Wert nur noch 50 dB(A) und unter Berücksichtigung des Oberen Entwicklungspfades 2010 dann 52 dB(A), so dass auch dann noch von einer effektiven Entlastung von 4 dB(A) ausgegangen werden kann.
  2. Für den Osten der Kreuzäckersiedlung gelten folgende Werte: Bestand 2001 = 51 dB(A), nach Verschwenkung 46 dB(A), 2010 Oberer Entwicklungspfad = 48 dB(A). Effektive Entlastung, trotz unterstelltem Zuwachs der Flugbewegungen = 3 dB(A).
  3. Tüngental Südwest: 51 dB(A), 45 dB(A), 47 dB(A). Effektive Entlastung = 4 dB(A).

Das Fluglärmtechnische Gutachten kommt demzufolge auf Seite 23 auch unter Berücksichtigung steigender Flugbewegungszahlen zu folgender Bewertung hinsichtlich des Dauerschallpegels:

„Durch die geplante Verdrehung mit neuer Ausrichtung der Start-/ Landebahn werden weite Bereiche deutlich entlastet.“

Tendenziell ist diese Aussage auch für die kurzzeitig zu erwartenden Maximalpegel zutreffend, wobei auch hier ein deutlicher Anstieg der Flugbewegungen unterstellt wurde:

„Mit der geplanten neuen Ausrichtung der Start-/Landebahn (Richtung 10/28) auf dem Verkehrslandeplatz Schwäbisch Hall-Hessental wird sich an wesentlichen untersuchten Bereichen gegenüber der heutigen Situation (Richtung 08/26) eine deutliche Minderung für die Maximalpegel durch die Flugbewegungen ergeben.“ [Seite 25]


Zusammenfassung:

Insgesamt ist nach Auswertung der Gutachten festzustellen, dass ein geringerer Teil der Siedlungsgebiete zukünftig durch Lärmimmissionen aus dem Flugbetrieb stärker belastet sein wird, wobei sich diese Mehrbelastung durch die dortige sehr niedrige Grundbelastung relativiert.

Die maßgeblichen gebietsorientierten Immissionsrichtwerte werden auch bei einem Szenario, das eine deutliche Zunahme der Flugbewegungen unterstellen würde, an allen Untersuchungsorten eingehalten. Die Schwelle für erhebliche Belästigungen und dadurch bedingte indirekte Gesundheitsbeeinträchtigungen wird auch dann nicht überschritten.

Wichtig für die Gesamtabwägung ist aber vor allem die Tatsache, dass ein deutlich größerer Teil der Siedlungsgebiete durch die Verschwenkung der Start- und Landebahn spürbar gegenüber der heutigen Situation entlastet werden wird, auch dann, wenn den Untersuchungen ein optimistisches Entwicklungsszenario hinsichtlich der Zahl der Flugbewegungen unterstellt wird.

Die Verwaltung kann insofern die Auffassung, dass eine „lange Liste negativer Auswirkungen“ mit vielen Verschlechterungen für die Bevölkerung vorhanden sei, nicht teilen. Einer Liste negativer Auswirkungen könnte ohne Probleme eine weitaus längere Liste positiver Auswirkungen, sprich Entlastungen für weitaus mehr Menschen, gegenübergestellt werden.

In der Abwägung der Vor- und Nachteile kommt die Verwaltung zum Schluss, dass nach Auswertung der einschlägigen Fachgutachten in den Unterlagen zum Planfeststellungsverfahren die Vorteile der Planung sehr deutlich überwiegen.

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