§ 186/1 - Verschiedenes: Dimensionierung des Kanalnetzes und vorbeugender Hochwasserschutz; hier: Schreiben der Landesvereinigung Bauwirtschaft Baden-Württemberg, Stuttgart, vom September 2002 (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

Häufiger Platzregen und überaus starke Regenfälle im bisher nicht bekannten Umfang führten in diesem Sommer zu lokalen, aber auch zu überregionalen Überschwemmungen. Klimaforscher gehen davon aus, dass diese Regenfälle in Zukunft sogar noch zunehmen. Der Ausbau unserer Entwässerungssysteme hält mit dieser Entwicklung nicht Schritt.

Bis in die siebziger Jahren wurde bei der Planung von Kanalisationsanlagen die Leistungsfähigkeit mit 100 Liter/Sek./ha bemessen. In den achtziger Jahren ging man bereits von 120 Liter/Sek./ha aus. Zwischenzeitlich werden durch die Vorschriften Modellregen von bis zu 180 Liter/Sek./ha gefordert. Tatsächlich treten - wie jüngst am Stuttgarter Flughafen gemessen - bis zu 800 Liter/Sek./ha sogar über einen längeren Zeitraum auf; also die 5-fache Menge, die zu Grunde gelegt ist.

Fazit:

Die maßgebenden Bemessungsansätze bei Platzregen haben um 30 bis 40 Prozent zugenommen, Tendenz steigend.

Diese Niederschläge treffen auf historisch gewachsene Kanalisationsnetze, die bis zu 80 Jahre alt sind.

Genauso sind die Gewässer, die die Wassermassen aufnehmen, häufig nicht mehr ausreichend leistungsfähig. Die Folge hiervon sind Überflutungen, sowohl der Gewässer selbst, als auch der Kanalisation mit hohen Schäden.

Eine Haftung der Kommunen unter dem Gesichtspunkt der Gefährdungshaftung und nach Amtshaftungsgrundsätzen bei nicht ausreichend dimensionierten Kanälen wird immer mehr diskutiert und war bereits Inhalt gerichtlicher Entscheidungen.

In jeder Gemeinde muss deshalb ein allgemeiner Kanalplan aufgestellt sein, der die steigenden Belastungen berücksichtigt und die Folgen von Überflutungen aufzeigt. Ein solcher Kanalplan muss in Abstimmung auch mit der Leistungsfähigkeit der Gewässer erstellt werden.

Folgende Punkte sind prüfen:

  1. Gibt es einen Kanalplan, der den derzeitigen Stand der Kanalisation zutreffend darstellt?
  2. Berücksichtigt dieser Plan zukünftige Entwicklungen in der Kommune wie beispielsweise Neubaugebiete, Außengebietsableitungen usw.
  3. Entspricht die Neudimensionierung der Kanäle den oben dargestellten Niederschlagsmengen?
  4. Zeigt der Kanalplan Schwachstellen auf für den Fall, dass noch stärkere Regenfälle auftreten (Katastrophenregen)?
  5. Existieren Lösungsvorschläge und Maßnahmepläne für außergewöhnliche Regenfälle?

Für einen vorbeugenden Hochwasserschutz geben wir folgende Hinweise:

Die genannten Regenaufkommen sind Ereignisse, die nach der Statistik alle 2 Jahre als Spitzenwerte auftreten. Im Zeitraum über 5 und mehr Jahren ist noch mit erheblich höheren Regenmengen zu rechnen, die nicht mehr vom bestehenden Kanalnetz aufgenommen werden können.


Wie können hier hohe Schäden an Gebäuden und Infrastruktur vermieden werden?

  1. Überschwemmungsgebiete von Bebauung freihalten durch Ausweisung von Überschwemmungsgebieten im Rahmen der Raumplanung
  2. An das Hochwasser angepasst bauen durch Gebäude mit weißer Wanne, evtl. ohne Keller oder auf Stelzen bauen, wasserfeste Baustoffe einsetzen.
  3. Regenwasserbewirtschaftung und Wasserrückhalt in der Fläche durch angepasste Land- und Forstwirtschaft
  4. Wasserrückhalt in Gewässer und Aue und Ortslagen durch Gewässerrenaturierung, Uferstreifen, kleine ungesteuerte Rückhalteräume und Verstärkung der Retention durch gezieltes Anlegen von Mulden und Rigolen
  5. Vorbeileitung um schützenswerte Objekte durch Flutmulden und Dolen
  6. Technische Hochwasserrückhaltung durch Talsperren und Trockenbecken mit Bewirtschaftungsplänen
  7. Lokale Objektschutzmaßnahmen durch Neubau oder Ertüchtigung von Deichen und Ufermauern, mobile Schutzsysteme

Darüber hinaus gibt es noch weitere Vorbeugungsmaßnahmen, z.B.:

  1. Nutzung von Straßen zur gezielten Ableitung von überflutenden Wassermengen
  2. Schutzmaßnahmen in Grundstücken und an Gebäuden selbst wie Parkplätze mit Rigolensystem, Kellerpumpen, hochgezogene Lichtschächte, Schutzwände usw.
  3. Vorbeugende Gesundheitsschutzmaßnahmen durch Sicherung von Kanalisation; Klär- und Pumpanlagen

Zur Lösung der Probleme stehen Ihnen die Experten der Bauwirtschaft und die Beratenden Ingenieure zur Verfügung.


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