§ 165 - Verbot von Neonicotinoiden auf städtischen und hospitalischen Flächen (öffentlich)

Aus Ratsinformationssytem Schwäbisch Hall
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Sachvortrag:

Stadtrat Michael Rempp hat im Namen der SPD-Fraktion am 08. Februar 2021 einen schriftlichen Antrag auf Verbot von Neonicotinoiden auf städtischen und hospitalischen Flä­chen gestellt. Die städtischen Tochterunternehmen sollen bei Verpachtungen dieses Verbot ebenfalls umsetzen.

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) hat sieben Bundes­ländern, darunter auch Bayern und Baden-Württemberg, eine mit Auflagen versehene Not­fallzulassung für die Beizung von Zuckerrüben-Saatgut mit Thiamethoxan erteilt. Die Zulas­sungen umfassen die Behandlung des Saatgutes mit dem Pflanzenschutzmittel Cruiser 600 FS. So gebeiztes Zuckerrüben-Saatgut darf in den jeweiligen Anbaugebieten vom 01. Januar bis 30. April 2021 ausgesät werden. Nach Auskunft des Landwirtschaftsamtes Ilshofen gab es 2020 in der Stadt Schwäbisch Hall und in den Teilorten 24 Zuckerrübenanbauer mit einer Anbaufläche von ca. 175 ha, in 2021 wurden ca. 106 ha zur Aussaat mit dem Beizmittel angemeldet. Der Anteil der städtischen oder hospitalischen Flächen ist nicht bekannt. Die Notfallzulassung für Baden-Württemberg umfasste 12.000 ha, die ausschließlich im Vertragsgebiet der Südzucker AG in Offenau liegen. In diesem Rahmen ist die Südzucker AG auch dafür verantwortlich, durch die Abgabe des behandelten Saatgutes eine räumliche Beschränkung der Aussaat auf durch die Schadenerreger besonders betroffene Regionen sicher zu stellen.

Die Europäische Union hat entschieden ab Dezember 2018 die Verwendung der drei neoni­cotinoiden Wirkstoffe Clothianinidin, Imidacloprid und Thiamethoxan aufgrund ihrer Schädlichkeit für Insekten im Pflanzenschutz weiter einzuschränken. Pflanzenschutzmittel mit diesen Wirkstoffen dürfen nur noch in dauerhaft errichteten Gewächshäusern und zur Behandlung von Saatgut, das zu Ausbringung im Gewächshaus bestimmt ist, angewendet werden.

Ein zusätzliches Risiko für Bienen und Imkereien geht von dem Insektengift Acetamiprid, welches häufig im Rapsanbau eingesetzt wird, aus. Es gehört auch zu der Wirkstoffgruppe der Neonicotinoiden. Die Zulassung für Acetamiprid lief in Deutschland Ende Februar 2021 aus.

Baden-Württemberg und Bayern haben sich gegenüber dem BVL verpflichtet, alle erforder­lichen Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass mit Cruiser 600 FS behandeltes Saatgut nur dort eingesetzt wird, wo dies zur Abwehr großer Schäden im Rübenanbau notwendig ist. Dafür werden die Bundesländer rechtlich verbindliche Maßnahmen (z. B. durch eine Rechtsverordnung oder Allgemeinverfügung nach § 6 und § 8 des Pflanzenschutzgesetzes) erlassen, um die Risikominderung ab der Aussaat und über das Ende der Notfallzulassungen am 30. April 2021 hinaus zu gewährleisten.

Zudem wurden diese Notfallzulassungen mit strengen Auflagen vor allem zum Insekten­schutz verbunden:

  • Die Saatgutbehandlung darf nur in vom Julius Kühn-Institut–Bundesforschungsinsti­tut für Kulturpflanzen (JKI) gelisteten Einrichtungen erfolgen.

  • Die durch die Aussaat ausgebrachte Dosis wurde durch eine verringerte Aussaatstär­ke und geringeren Mittelaufwand je Saatguteinheit deutlich reduziert auf 49,5 g Wirkstoff je Hektar (gegenüber 78 g/ha bei früheren Zulassungen).

  • Ein anbaubegleitendes Monitoring zur Beobachtung möglicher Umwelteffekte ist durchzuführen.

  • Blühende Zwischenfrüchte dürfen auf der Fläche nicht ausgesät werden.

  • Als Folgekultur dürfen nur Pflanzen angebaut werden, die für Bienen nicht attraktiv sind.

  • Imker oder Bienensachverständige im Umkreis der Aussaatflächen sind vor der Aus­saat zu informieren.

Die Stellungnahmen des Bauernverbandes, Kreisgeschäftsführer Herr Bleher, und dem Landwirtschaftsamt Ilshofen, Herr Amtsleiter Balbach, sind als Anlage beigefügt. Beide kommen zu dem Ergebnis, dass die Zulassungen der nationalen Zulassungsbehörden nicht weiter eingeschränkt werden sollten.

Auf den öffentlichen städtischen Flächen werden seit Jahren keine Neonicotinoide, ebenso wie kein Glyphosat von den Stadtbetrieben eingesetzt.

Seit dem Gemeinderatsbeschluss vom 16.05.2018 (§ 96, öffentlich) wird bei neuen Pachtverhältnissen oder bei Änderung der bestehenden Pachtverträge das Verbot von Glyphosat Vertragsbestandteil.

Die Verwaltung schlägt, entsprechend dem Antrag der SPD-Fraktion, gleiches Vorgehen bei dem Verbot von Neonicotinoide auf städtischen und hospitalischen Flächen vor.
Die Pächter können in gesetzlich zulässigen Ausnahmefällen zur Produktion von Lebensmittel, unter Angabe der eingesetzten Mittel und der auszubringenden Menge, Anträge an die Stadt stellen. Die städtischen Tochterunternehmen sollen bei ihren Pachtverhältnissen analog vorgehen.

Anlagen:
Anlage 1: Antrag der SPD-Fraktion, Stadtrat Rempp vom 08.02.2021
Anlage 2: Stellungnahme Bauernverband, Herr Bleher vom 03.05.2021
Anlage 3: Stellungnahme Landwirtschaftsamt Ilshofen, Herr Balbach vom 04.05.2021
Anlage 4: gestellte städtische Fragen an Bauernverband und Landwirtschaftsamt, vom 03.05.2021

 

Stadtrat Rempp gibt noch drei Hinweise zu seinem in der Vorberatung ausführlich diskutiertem Antrag:

  1. Im Jahr 2019 wurden laut Umweltbundesamt 27.000 Tonnen Pestizide eingesetzt. Die große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger wünsche weniger Einsatz von Gift, insbesondere von sehr schädigenden Giften wie die der Neonicotinoide.

  2. Es sei bekannt, dass bei bestimmten Kulturen der Einsatz von Giften, selbst im Bio-landbau, nicht zu vermeiden sei. Dabei sollte bei den besonders giftigen Stoffen Transparenz ein ganz wichtiges Gebot sein.

  3. Der Antrag sei daher in Bezug auf die Ausnahmen wohl überlegt. Es soll nicht der Anbau einzelner Kulturen, wie zum Beispiel der Anbau von Zuckerrüben, komplett verhindert werden. Aber seit Jahren verhindere die Agrarlobby im Land, dass die Mengen der in der Landwirtschaft eingesetzten Gifte veröffentlicht werden. Die Bürgerinnen und Bürger von Schwäbisch Hall sollten durchaus das Recht haben, zu wissen, welche Gifte und in welchen Mengen diese auf den städtischen Feldern ausgebracht werden.

 

- Stadtrat Feucht und Stadtrat Gehrke verlassen kurzzeitig den Sitzungssaal -

Stadtrat Reichert hält die Sitzungsvorlage für einen Schlag ins Gesicht der lebensmittelproduzierenden Landwirte. Der Beschlussantrag sei weder zielführend noch bürokratieabbauend. Unklar sei auch, wie Kontrollen erfolgen sollten. Letztlich werde der Zuckerrübenanbau damit unterbunden.

Stadtrat Reber schließt sich seinem Vorredner an und ist der Auffassung, dass in Bezug auf die Pachtverträge diskutiert werden soll, wie die städtischen und hospitalischen Flächen bewirtschaftet werden sollen. Ein Abarbeiten an Einzelfragen werde nicht für sinnvoll gehalten.

- Stadtrat Feucht nimmt wieder seinen Platz am Ratstisch ein -

- Stadtrat Krauß verlässt kurzzeitig den Sitzungssaal -

Stadtrat Tette befürwortet namens seiner Fraktion den Beschlussantrag und teilt mit, dass die Öffentlichkeit ein Informationsrecht habe, was auf städtischen und hospitalischen Flächen ausgebracht werde.

- Stadtrat Dr. Döring verlässt kurzzeitig den Sitzungssaal -

Auf die Nachfrage von Stadtrat Waller zur verwaltungsinternen Bearbeitung informiert, Fachbereichsleiter Wirtschaftsförderung und Liegenschaften Lindenmeyer, dass bei laufenden Pachtverträgen der durch Notfallzulassung Neonicotinoide einsetzende Landwirt dies mitteilen müsse und eine Dokumentation erfolge.

- Stadtrat Dr. Döring und Stadtrat Krauß nehmen wieder ihren Platz am Ratstisch ein -

Stadtrat Reber hält diese Vorgehensweise für unnötige Verwaltungsarbeit.

- Stadtrat Gehrke nimmt wieder seinen Platz am Ratstisch ein -

Oberbürgermeister Pelgrim entgegnet, dass eine nachhaltige ökologische Produktion auf städtischen und hospitalischen Feldern unterstützt werden soll.

Beschluss:

Das Verbot von Neonicotinoiden auf städtischen und hospitalischen Flächen erfolgt bei künftigen Verpachtungen oder bei Änderung der Pachtverhältnisse per Regelung im Pachtvertrag. Die Pächter können in gesetzlich zulässigen Ausnahmefällen zur Produktion von Lebensmittel unter Angabe der eingesetzten Mittel und der auszubringenden Menge, Anträge an die Stadt stellen. Die städtischen Tochterunternehmen sollen bei ihren Pachtverhältnissen analog vorgehen.
(16 Ja-Stimmen, 12 Nein-Stimmen, 1 Enthaltung)

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