§ 167/6 - Verschiedenes - Maßnahmen gegen Gewalt im sozialen Bereich; hier: Einführung des „Modellversuches zum polizeilichen Platzverweis“ - Antrag der FDP-Fraktion vom 20.06.2001 - (öffentlich)
Sachvortrag:
Wie dem Haller Tagblatt vom 19.06.2001 zu entnehmen ist, wird sich die Stadt Schwäbisch Hall auch weiterhin nicht an dem oben genannten Modellversuch beteiligen, mit dem prügelnde Ehemänner aus der Wohnung entfernt werden können.
Die guten Erfahrungen, die Crailsheim und andere Städte mit diesem polizeilichen Platzverweis im Interesse der betroffenen Frauen und Kinder gemacht haben, zeigen die dringende Notwendigkeit, dass sich Hall endlich auch an diesem Versuch beteiligen sollte.
Außerdem muss dafür gesorgt werden, dass allen Beteiligten - Opfer und Täter - „echte Hilfe“ erhalten.
Es wird deshalb beantragt, dass sich die Stadtverwaltung dieses Themas annimmt und noch vor der Sommerpause einen Umsetzungsvorschlag einbringt.
- Antwort der Verwaltung vom 05.07.01 an Stadträtin Ruth Striebel-Döring -
Sehr geehrte Frau Striebel-Döring,
es ist zweifellos richtig und auch höchste Zeit, dass Frauen und Kinder gegen häusliche Gewalt besser geschützt werden. Darin gibt es einen großen Konsens aller Verantwortlichen. Die Stadtverwaltung unterstützt es selbstverständlich, dass nicht mehr die Geschädigten und Bedrohten die gemeinsame Wohnung verlassen müssen, sondern die Gewalttäter. In dieser Zielrichtung gibt es im Arbeitskreis Kriminalitätsvorbeugung, mit der Frauenbeauftragten und mit dem vom Diakonieverband Schwäbisch Hall betriebenen Frauen- und Kinderschutzhaus völlige Übereinstimmung.
Positive Erfahrungen in Österreich lassen erkennen, mit welchen rechtlichen Instrumenten und sozialen Begleitmaßnahmen dieses wichtige und aktuelle Ziel erreicht werden kann.
Der Polizeiliche Platzverweis, wie ihn die Kommunen nach einer Empfehlung der Landesregierung ausprobieren sollen, entbehrt nicht nur nach Auffassung des Ordnungsamtes der hinreichenden gesetzlichen Grundlage, vielmehr deckt sich diese Rechtsauffassung auch mit dem einstimmigen Votum des Rechts- und Verfassungsausschusses des Städtetages Baden-Württemberg vom 15.10.1999 und mit entsprechenden Äußerungen eines Richters am VGH Baden-Württemberg in diesem Frühjahr. Der beigefügte Bericht im Haller Tagblatt vom 29.06.2001 „Zweifel an roter Karte“ bestätigt dies. Auch Justizminister Ulrich Goll (FDP) gilt offenbar als Befürworter einer speziellen gesetzlichen Regelung.
Das Ordnungsamt hat sich sowohl mit den positiven Erfahrungen in Österreich als auch mit dem von der Bundesregierung vorbereiteten Gesetzeswerk befasst, das noch in diesem Jahr vom Bundestag verabschiedet werden soll und über alle Parteigrenzen hinweg Zustimmung findet. Dabei handelt e sich um ein Gewaltschutzgesetz, welches gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt, Näherungs- und Kontaktverbote sowie Regelungen zur Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung beinhaltet.
Der Modellversuch „Polizeilicher Platzverweis“ in Baden-Württemberg ist aber nicht nur rechtlich als völlig unzureichend zu bewerten, sondern wird von den Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen in Baden-Württemberg ohne die Einbettung in ein Hilfesystem sogar für sinnlos erachtet. Um häusliche Gewalt wirksam bekämpfen zu können, reichen gesetzliche Regelungen allein nicht aus. Vielmehr ist eine enge Kooperation und bundesweite Vernetzung aller zusätzlich notwendigen Hilfsangebote notwendig, die von der Opferbetreuung bis zu sozialen Trainingsmaßnahmen bei Tätern reichen.
Wie ich Ihrem Schreiben entnehme, ist es auch Ihnen ein Anliegen, dass alle Beteiligten - Opfer und Täter - „echte Hilfe“ erhalten. Der Polizeiliche Platzverweis für die Dauer von 2 Wochen, wie er von einigen Kommunen (weniger als 10 % der Städte und Gemeinden) als „Modellversuch“ allein auf der Grundlage des allgemeinen Polizeigesetzes praktiziert wird, ist mit der Regelung und den positiven Erfahrungen in Österreich auch nicht annähernd vergleichbar.
Da das Gewaltschutzgesetz und die notwendigen Begleitprogramme noch in diesem Jahr zu erwarten sind, macht es wirklich keinen Sinn, dass die Stadt ein halbes Jahr vorher an diesem fragwürdigen Versuch beteiligt. Mit halben Sachen ist niemand geholfen. Deren Konsequenzen hätten wiederum die Schwächsten der Kette häuslicher Gewalt zu ertragen: Die Frauen und Kinder.
Damit es keine Missverständnisse gibt, möchte ich darauf hinweisen, dass Frauen und Kinder in Schwäbisch Hall deshalb rechtlich nicht schlechter gestellt sind als die Crailsheimer. Wenn es rechtlich möglich ist, legt die Haller Polizei den Fall ebenso wie in Crailsheim dem Ordnungsamt vor. Im Laufe dieses Jahres kam dies jedoch nur einmal vor. Das Ordnungsamt hat dann nach sorgfältiger Prüfung und intensiven Gesprächen im Einvernehmen mit der Polizei und der Rechtsanwältin der Frau entschieden, dass der Mann in ein separates Zimmer innerhalb des Wohnhauses zurückkehren kann. Eine andere Entscheidung wäre auf der Grundlage des allgemeinen Platzverweises nicht möglich gewesen.
Im Interesse der wirklich schützenswerten Interessen von Gewalt betroffenen Frauen und Kinder sollten wir gemeinsam eine konsequente Umsetzung der guten Erfahrungen in Österreich anstreben. Ich gehe davon aus, dass dies auch in Ihrem Sinn ist.