§ 152 - Ausführung des Daches auf dem Parkhaus „Ritter“, Johanniterstraße; hier: Weitere Vorgehensweise (öffentlich)

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Sachvortrag:

siehe BPA vom 16.07.01

Ermessensentscheid bei einer Befreiung nach § 31 BauGB

Zu der Frage des Ermessens bei der Erteilung von Befreiungen ist Folgendes festzustellen:

Wortlaut des § 31 Abs. 2 BauGB, der Befreiungen regelt:

„Von den Festsetzungen des Bebauungsplanes kann befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und

  1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder
  2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
  3. die Durchführung des Bebauungsplans zu einer offenbar nicht
beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.“

Grundsätzlich ist festzustellen (davon geht auch die einschlägige Kommentierung zu § 31 aus), dass die Formulierung „kann“ der Baurechtsbehörde einen gewissen Ermessensspielraum eröffnet. Allerdings ist dieser Ermessensspielraum unter den im § 31 Abs. 2 genannten Tatbestandsvoraussetzungen zu sehen.

Wie bereits in der Sitzungsvorlage Nr. 241/01 (s. BPA 16.07.01) ausführlich dargelegt, scheidet eine Befreiung der Firsthöhenüberschreitung im vorliegenden Fall aus, da die Grundzüge der Planung tangiert werden und eine derartige Abweichung städtebaulich nicht vertretbar ist. Auch erfordert kein überwiegendes öffentliches Interesse (Wohl der Allgemeinheit) die Befreiung, ebenso wenig die Entstehung einer unbe-absichtigten Härte, da diese stets grundstücksbezogen zu sehen ist.

Ganz entscheidend ist, dass eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans „ SO Ritterbauerei“ im engen Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte des Planes und dem seinerzeitigen Verfahren zu sehen wäre. Als wesentlich ist hier zu berücksichtigen, dass der erste Entwurf des Bebauungsplans, der eine umfang-reichere Baumasse mit größerer Höhenentwicklung als die jetzigen Festsetzungen vorsah, seinerzeit vom Regierungspräsidium beanstandet wurde, da die Bedenken des Landesdenkmalamtes nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Die nachfolgenden Veränderungen fanden, trotz Verhandlungen mit dem Landesdenkmalamt, wiederum nicht dessen Zustimmung.

Im Rahmen der Genehmigung des Bebauungsplanes ist dann das Regierungspräsidium aber der Argumentation und Abwägung der Stadt, dass eine städtebauliche Neuordnung und Aktivierung dieses Areals notwendig ist, gefolgt und hat die Zurückstellung der denkmalschutzrechtlichen Belange gegenüber den städtebaulichen Interessen für den überarbeiteten Plan nicht beanstandet.

Unter Beachtung dieser Verfahrensschritte und der damit verbundenen Rechtsfolgen, ist es aber ausgeschlossen, das als Maximalmaß festgeschriebene Ergebnis dieses Bauleitplanverfahrens nun durch eine Befreiung nachträglich noch zu überschreiten.

Dies ergibt sich auch aus den einschlägigen Kommentierungen zu § 31 Abs. 2 BauGB. Generell ist davon auszugehen, dass sich das Ermessen über eine Befreiung an den genannten Tatbestandsvoraussetzungen orientieren muss. Wenn der Sachverhalt, wie im vorliegenden Fall, diesen widerspricht, handelt es sich im Prinzip um eine Ermessensreduzierung „auf Null“, d. h. die Baurechtsbehörde hat, um rechtmäßig zu handeln, nur noch die Möglichkeit der Ablehnung.

Andere Erwägungen, als die im Gesetz (§31 BauGB) definierten, dürfen bei der Entscheidungsfindung grundsätzlich keine Rolle spielen.

Entscheidend in diesem Zusammenhang sind auch die Ausführungen im Kommentar Ernst-Zinkahn-Bielenberg Rand Nr. 61 zu § 31. Hier wird u. a. ausgeführt „im Übrigen aber verbietet der Grundsatz ermessensfehlerfreier Entscheidungen die Berücksichtigung sachfremder Erwägungen. Insbesondere der Gleichheitssatz verbietet eine willkürliche oder sachfremde Befreiungspraxis. Bei nicht sachgerechter Befreiungspraxis kann sich das Problem unerwünschter Berufungsfälle stellen!“.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Bauverwaltung an den Darstellungen in der Sitzungsvorlage festhält. Da die Befreiung nicht erteilt werden kann, ist der Antrag abzulehnen und gleichzeitig ein Rückbau zu verlangen.


Stadtrat Prof. Dr. Blobel meldet sich zur Geschäftsordnung und schlägt vor, den Absatz 2 des Beschlussantrages der Verwaltung zu vertagen, da eine „Kampfabstim-mung“ - wie sie abzusehen sei - nicht gut wäre und besser eine konsensfähige Lösung gesucht werden sollte.

Oberbürgermeister Pelgrim weist darauf hin, dass es heute allein darum geht, über die Ablehnung des städtebaulichen Einvernehmens für das überhöhte „Ritter“-Dach zu befinden.

Bürgermeister Stadel macht klar, dass eine nachträgliche Legalisierung der „Bau-sünde“ nicht möglich sei und eine solche Form der Ungleichbehandlung von Bauherren ungeahnte Folgen für künftige Fälle haben könnte.

Durch eine solche willkürliche und sachfremde Befreiungspraxis würde man sich sogar strafbar machen.

Stadträtin Rabe räumt zwar einen eklatanten Verstoß gegen das Baurecht ein, fragt aber, wer diese Rechtswidrigkeit zu verantworten habe.

Als Schuldige macht sie neben dem Architekten und ehemaligen CDU-Stadtrat Scheuermann auch die Bauherrin GWG, die städtische Bauverwaltung, das Baurechtsamt und das Projektmanagement aus.

Ihrer Meinung nach sei die Verwaltung - wenn sie tatsächlich nichts von den Abweichungen gewusst hat - „unfähig“ und wenn sie etwas wusste, habe sie sich einer groben Pflichtverletzung schuldig gemacht, die Konsequenzen fordere. Die Verwaltung wolle jetzt nur „ihren Kopf aus der Schlinge ziehen“ und dem Gemeinderat „den Schwarzen Peter zuschieben“. Dafür werde sich ihre Fraktion jedoch nicht hergeben.

Sie beantragt, dass die GWG einen Vorschlag ausarbeiten soll, der städtebaulich vertretbar ist.

Oberbürgermeister Pelgrim erklärt sich mit dem Vorschlag von Stadtrat Prof. Dr. Blobel einverstanden, den Absatz 2 des Beschlussantrags zu streichen.

Seinem Vorschlag, demnach heute nur über das Einvernehmen zu diskutieren und zu beschließen wird mit 28 Ja-Stimmen bei 5 Enthaltungen zugestimmt.

- Stadtrat Reber ab 18.30 Uhr anwesend -

Zu den Vorwürfen von Stadträtin Rabe an die Verwaltung teilt Oberbürgermeister Pelgrim mit, dass er diese Unterstellungen für ziemlich abenteuerlich halte. Die Verwaltung habe nachweislich korrekt gehandelt und mit seinem Gang an die Öffentlichkeit wolle er -nach dem denkwürdigen Beschluss des BPA - bewirken, dass der Gemeinderat den zu befürchtenden Rechtsbruch noch verhindert.

Stadtrat Vogt unterstreicht die klare Haltung seiner Fraktion, die den Verwaltungsantrag unterstützt.

Die Aussagen von Stadträtin Rabe hält er für sehr problematisch, weil sie Täter und Opfer vermengen.

Allerdings räumt er ein, dass es bei diesem Politikum nicht nur einen Schuldigen gebe.

- Stadtrat Neidhardt ab 19.00 Uhr anwesend -

Stadtrat Schmid erläutert kurz die Vorgeschichte der Bebauung des Ritterareals, die in die Zeit von Bürgermeister Brückner zurück reicht. Er weigert sich für seine Fraktion ebenfalls, der Verwaltung einen „Persilschein“ auszustellen.

Nach seinen Informationen habe die Versicherung des Architekten signalisiert, die zusätzlichen Kosten zu übernehmen.

Gleichzeitig würdigt er die Verdienste von Architekt Scheuermann für das Ritter-Projekt, ohne dessen Engagement dort jetzt vermutlich noch eine Baulücke wäre.

Die FWV könne dem Verwaltungsantrag heute nicht zustimmen und werde sich enthalten. Er bittet nach der Diskussion um eine kurze Sitzungsunterbrechung zur Beratung der Fraktionen.

Stadtrat Prof. Dr. Geisen warnt davor, das Recht zu erzwingen. Man müsse sich auch über Kosten und Konsequenzen einer Änderung klar werden.

Stadtrat Preisendanz reagiert nachdenklich, ist aber der Meinung, dass ein solches Thema von grundsätzlicher Bedeutung selbstverständlich in den Gemeinderat gehöre.

Seine Fraktion könne den Beschlussantrag der Verwaltung mittragen, bitte aber ebenfalls um eine kurze Sitzungsunterbrechung zur Beratung.

Stadträtin Herrmann ist für den Verwaltungsvorschlag. Für sie kommt eine Nachgenehmigung des Daches nicht in Frage, weil dadurch in der Stadt „Zustände wie in einer Bananenrepublik“ herbeigeführt würden.

Stadtrat Dr. Hasenfuss fordert die politische Aufklärung des Vorfalls. Man müsse sich fragen, warum der Architekt am Baurecht vorbeigeplant habe.

Auch mit „Hohenloher Dickschädeligkeit“ könne man geltendes Recht nicht einfach außer Kraft setzen.

Oberbürgermeister Pelgrimund Bürgermeister Stadel stellen einige Aussagen richtig und erläutern nochmals die baurechtliche und städtebauliche Situation.

Stadtrat J. Baumann spricht sich dafür aus, einen anderen einvernehmlichen Weg zu suchen.

Nach weiterer kurzer Aussprache plädiert Stadtrat Sakellariou für einen Architektenwettbewerb zur Verbesserung der Situation.

Nach der anschließend durchgeführten Sitzungsunterbrechung von ca. 5 Minuten ergänzt Stadtrat Prof. Dr. Geisen den ersten Absatz des Verwaltungsantrags wie folgt:

„Der Gemeinderat nimmt zur Kenntnis, dass das Baurecht verletzt wurde.

Er beschließt, die Ursachen für diese Verletzung einschließlich einer Kostenermittlung durch die GWG zu klären und fordert diese auf, genehmigungsfähige bauliche Alternativen vorzulegen.“

Beschluss:

  1. Nachdem beim Bauantrag der GWG - geänderte Ausführung des Ritterdaches, BD-Nr. 19/2001 - die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung nicht erfüllt sind, kann der Gemeinderat das städtebauliche Einvernehmen nicht erteilen. (34 Ja-Stimmen; Stadtrat H. Baumann wegen Befangenheit abgetreten)
  2. Der von Stadtrat Prof. Dr. Geisen vorgeschlagenen Ergänzung des Beschlusses wird mit 33 Ja-Stimmen bei 1 Enthaltung zugestimmt. (Stadtrat H. Baumann wegen Befangenheit abgetreten)
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