§ 162/4 - Haushaltsrede FDP-Fraktion (öffentlich)

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Sachvortrag:

Haushaltsrede zum Haushalt 2004/2005 vom 17. Dezember


Herr Oberbürgermeister,

meine Damen, meine Herren,

In verschiedenen Ländern oder Regionen der Erde sind Speisen und Gerichte entstanden, die von der Armut diktiert waren

  1. Im Elsaß der Flammenkuchen
  2. In Italien die Pizza
  3. bei uns der Blooz

Alle drei genannten Spezialitäten, die heute geradezu Kulturcharakter haben, haben als Grundlage einen einfachen Teigboden. Nur der Belag variiert je nach den gegebenen Möglichkeiten.

Was ich damit sagen will: Wir werden auch weiterhin Flammenkuchen, Pizza oder Blooz essen können; nur der Belag wird auch weiterhin bescheidener sein, als wir das in den vergangenen Jahren gewohnt waren.

Die Vorschläge, wie man am Belag sparen könnte, sind ja sehr vielfältig. Vor kurzem sagte mir ein Gesprächspartner aus einem Haller Teilort, wir Stadträte sollten dem Beispiel unserer Nachbarstadt Schwäbisch Gmünd folgen und auf unsere Sitzungsgelder verzichten. Er konnte mir allerdings nicht sagen sagen, wie hoch der eingesparte Betrag dort sei. Ich habe ihm dann vorgerechnet, wie viel EURO Hall mit einer solchen Maßnahme einsparen würde:

35 Stadträtinnen und Stadträte bekommen im Jahresdurchschnitt – je nach Sitzungshäufigkeit – etwa 100 EURO pro Monat. Das ergibt pro Stadträtin, bzw. pro Stadtrat 1.200 EURO im Jahr X 35 = 42.000 EURO Gesamtsumme und entspricht etwa einer Stelle im Personalhaushalt der Stadt.

Als ich ihm dann die derzeitigen Personalkosten für unsere Ortschaftsverwaltungen nannte, nämlich rund 500.000 EURO ( =1 Million DM ), da war er sehr erstaunt......

Was ich mit diesem Beispiel ausdrücken will , meine Damen und Herren: Wir können für einsparungen jeden Bereich in unserem städtischen Haushalt heranziehen und finden sich in jeden Fall Möglichkeiten der kostenreduzierung. Oder umgekehrt: Wir Stadträtinnen und Stadträte und die Verwaltung werden oftmals dringend gebeten. Diese oder jene Einrichtung unbedingt so zu belassen wie sie bisher war. Nur ist manchen Ausenstehenden nicht klar, um welche finanziellen Dimensionen es sich handelt.

Dazu das Beispiel Musikschule:

Erfreulicherweise konnte ich mein vorbereitetes Redemanuskript noch kurzfristig umformulieren. Heute stand im HT, dass durch großzügige Spenden der Sparkasse, der VR -Bank, sowie weiterer privater Spender der Standort Gelbinger Gasse auf 5 Jahre gesichert werden kann. Dazu an dieser Stelle herzlichen Dank für diese Großartige Rettungsaktion.

Beim Weihnachskonzert der Bausparkasse am vergangenen Freitag in der Michaelskirche ( mit der Gächinger Kantorei und dem Bach-Collegium Stuttgart ) bat Herr Dr. Erdland ( der Vorstandsvorsitzende der Haler Bausparkasse ) in seiner Begrüßungsrede die Besucher um eine Spende zugunsten der Musikschule. Diese hervorragende Idee kam aus der Belegschaft der BSH und ist ein mustergültiges Beispiel für bürgerschaftsliches Engagement.

Um beim Beispiel Musikschule zu bleiben. Unsere Fraktion hat im Rahmen der Haushaltsberatungen (2004/2005) den Antrag gestellt, Musikschule und Volkshochschule im ehemaligen Mädchengymnasium Im Haal zusammen zu legen. Unser Ziel ist und bleibt der Erhalt beider Einrichtungen, nicht deren Zerschlagung – wie einem bisweilen unterstellt wird. Der Umzug der VHS vom Löchnerhaus ins Haaalgymnasium ist von der Verwaltung bereits geplant. Die Verlegung des Standorts der Musikschule ist nun – zumindest für die nächsten 5 Jahre – aus der Diskussion.

Dieses von uns ursprünglich angeregte Beispiel vom Zusammenrücken ist aber in der derzeitigen Situation nicht das einzige. Ich will dazu den Blick ein wenig über den eigenen Tellerrand hinaus schweifen lassen:

  1. 30 Jahre nach der Kreisreform haben sich die Bauernverbände Hall und Crailsheim entschieden, zusammen mit dem Hohenlohekreis einen gemeinsamen Bauernverband zu bilden
  2. Im Krankenhauswesen laufen derzeit die Diskussionen um die Zukunft der einzelnen Häuser. Und es ist abzusehen, dass man auch in diesem Bereich wird man zusammenrücken müssen. Es ist aus heutiger Sicht kaum möglich, in den Landkreisen SHA und KÜN vier Kreiskrankenhäuser ( ÖHR, KÜN, CR und Gaildorf ) und das Diakoniekrankenhaus in der bisherigen Form weiter betreiben zu können. Und die finanziellen Verhältnisse werden ja nicht besser....

Dass wir das Diak in seiner überregionalen Bedeutung erhalten wollen, ist sicher in diesem Kreis der politischen Mandatsträger unumstriten.

Unsere wohlgeratenen Töchter...

Stadtwerke, GWG, u.a helfen uns in der augenblicklich schwierigen Finanzlage, einigermaßen über die Runden zu kommen. Es ist gut, dass wir diese Töchter haben. Wenn aber in anderen Geschäftsbereichen nach demselben System verfahren wird ( reiche Tochter unterstützt arme Mutter ), dann wird in manchen Kreisen Zeter und Mordio geschrieen.

Meine Damen und Herren, ich meine ganz konkret das Beispiel „Arme Mutter DZ-Bank in Frankfurt und reiche Tochter Bausparkasse“. Er bringt uns nicht weiter, wenn wir den schwarzen Peter zwischen den politischen Lagern hin- und herschieben. Die Situation ist nun mal so und wir haben uns danach zu richten, auch wenn es für uns eine schwere finanzielle Belastung bedeutet.

In diesem Zusammenhang will ich aber auch betonen, dass die Bausparkasse alles unternimmt, im Rahmen ihrer Möglichkeiten in unserer Stadt als Sponsor ( Geldgeber oder Mäzen – wie immer man das nennen mag ) tätig zu sein. Nennen will ich die Freilichtspiele, die Bürgerstiftung und den „Verein zur Förderung gemeinnütziger Aktivitäten in den Bereichen Kultur, Bildung, Soziales uns Sport der Stadt der Stadt Schwäbisch Hall e.V.“.

Was wären diese Institutionen ohne finanzielle Ausstattung durch die BSH ? Und was wäre unsere Stadt, und damit alle Mitbürgerinnen und Mitbürger, ohne diese gesellschaftlichen Unterstützungswerke. Ich will an dieser Stelle Herrn Dr. Erdland und seinen Vorstandskollegen ganz herzlich dafür danken, dass sie sich in dieser vorbildlichen Weise für unsrere Stadt einsetzten.

Eine weitere Person will ich noch namentlich herausstellen: Unser FDP – Parteifreund Reinhold Würth hat uns diese herrliche Kunsthalle geschenkt, ein Glanzstück in unserer Kulturlandschaft, um das uns viele Nachbarorte beneiden. Er hat aber darüber hinaus auch Kunstwerke aus dem Besitz der Fürstenfamilie Fürstenberg/Donaueschingen gekauft, um sie im Land Baden – Württemberg zu halten. Sonst wären diese einmaligen Kunstschätze möglicherweise in alle Welt zerstreut worden.

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren,

ich habe diese beiden personenbezogenen Beispiele deshalb gewählt, weil ich damit deutlich machen will, dass Mäzenatentum etwas sehr Ehrenwertes ist. Manchmal hat man nämlich hier im Rat bei gewissen politischen Kreisen den Eindruck, die Namen Bausparkasse oder Würth seinen „Reizwörter“....

Bürgerschaftliches Engagement

umfaßt natürlich auch noch weitere Bereiche. In meiner nachfolgenden Aufzählung kann ich nicht alles erwähnen. Es möge mir also niemand übel nehmen, wenn sein/ihr Engagement nicht ausdrücklich gewürdigt wird.

  1. Ich denke z.B. an Elterninitiativen, die sich bereit erklärt haben, für die Pflege von Kinderspielplätzen Verantwortung zu übernehmen.
  2. Ich denke an den Freundeskreis der Stadtbibliothek, eine tolle Einrichtung. Engagierte Bürgerinnen und Bürger halten u.a. Vorlesenachmittage für Kinder und ersetzen damit Omas und Opas, die früher diese wichtige Aufgabe übernommen haben.
  3. Ich denke weiter an die „Geschichtswerkstatt“, ein Förderkreis, der sich für die Stadtgeschichtsforschung interessiert oder an den Förderverein des Hällisch-Fränkischen Museums.
  4. Selbstverständlich will ich auch all die Vereine und Gruppen und Institutionen erwähnen, die bisher schon – vor der Finanzkrise unserer Stadt – in vielfältiger Weise für die Allgemeinheit tätig waren. Ich nenne hier die Bereiche Kultur im weitesten Sinne, Sport, Soziales und natürlich auch die verschiedenen Religionsgemeinschaften in unserer Stadt.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, lassen Sie mich von dieser Stelle aus ein herzliches Dankeschön von uns liberalen Gemeinderäten übermitteln an all diejenigen, die sich in der Vergangenheit für unser Gemeinwesen eingesetzt haben und sicher auch in Zukunft noch einsetzten werden.

Aus den Sozialbereich will ich noch ein Thema herausgreifen: Der Verein Tagesmütter e.V. konnte in der Seizenmühle, im ehemaligen Kindergarten St. Michael, ein Domizil finden. Diese Art der Kinderbetreuung wurde dieser Tage vom Sozialminister des Landes Baden – Württemberg, Herrn Repnik, ausdrücklich gelobt. Wir sehen daraus, dass verschiedene Modelle der Kinderbetreuung möglich sind.

Für uns Liberale – hier in Hall und anderorts – gilt nach wie vor der Grundsatz: Für jedes Kind soll ein Betreuungsplatz vorhanden sein. Doch auch Kinderbetreuung muss personell und Finanziell sinnvoll geregelt sein. Der von der Verwaltung erstellte Kindergarten-Bedarfsplan trägt diesem Anliegen Rechnung. Wenn die Kinderzahlen zurückgehen, muss logischerweise auch die Anzahl der Kindergartengruppen zurückgehen.

Die Senkung der Gewerbesteuer war unseren Gewerbesteuerzahlern versprochen worden. Wir liberalen Gemeinderäte haben vor zwei Jahren der Erhöhung von 375 auf 390 Punkte notgedrungen zugestimmt. Wenn nun die Verwaltung die Senkung der Gewerbesteuer von 390 auf 380 Punkte vorschlägt, so ist dies ein Akt der politischen Glaubwürdigkeit, auch wenn , man dadurch auf Einnahmen von ca. 360.000EURO verzichtet. Dann muss eben an anderer Stelle gespart werden. Für uns Liberale ist die Gewerbesteuer nach wie vor ein Dorn im Auge – das ist bekannt. Sie gehört abgeschafft und in die Mottenkiste vergangener Tage gepackt. Aber in diesem Punkt sind sich ja nicht einmal die beiden großen Volksparteien auf Bundesebene einig.

Um es nochmals zu betonen:

Mit der Senkung der Gewerbesteuer wollen wir wenigstens ein kleines Zeichen setzten und unserer Wirtschaft Mut zu machen. Sicher können wir dadurch keine euphorische Aufbruchstimmung auslösen. Aber wir wollen die derzeitige Unbeweglichkeit bei den dringende anstehenden und dringende notwendigen Reformen mit unseren bescheidenen Möglichkeiten auf kommunaler Ebene beeinflussen.

Bei den Personalkosten ist unsere Verwaltung bemüht, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Das verdient höchste Anerkennung. Das Modell „Dienstvereinbarung über die Umsetzung befristeter Teilzeitmodelle“ ist geradezu eine revolutionäre Erfindung. Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren in der Verwaltung, dieses Modell sollten Sie sich weltweit patentieren lassen!

Wir stehen nun vor der Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2004/2005. Nach meinem Kenntnissstand ist die Verabschiedung eines Doppelhaushaltes bisher einmalig in der Geschichte unserer Stadt. Nutzen wir die Chancen, die in einem solchen Doppelhaushalt liegen. Wir werden aufmerksam beobachten müssen, wie sich die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte in den Kommunen, in den Bundesländern und im Bund entwickeln wird. Auch die EU - Erweiterung im kommenden Jahr wird ihre finanziellen Auswirkungen haben.

Ich will uns allen Mut machen, trotz aller Unkenrufe hoffnungsvoll in die Zukunft zu schauen. Wir soll und wollen nicht wehklagen, sondern durch Zusammenrücken das Bürgerbewusstsein stärken. Wie ich schon ausgeführt habe, sind erfolgsversprechende Ansätze vorhanden. Unsere Bürgerschaft wird den eingeschlagenen Weg der neuen Bescheidenheit mitgehen, davon bin ich überzeugt. Hier im Rat werden wir uns weiterhin um tragfähige Lösungen bemühen müssen. Der Dank unserer Fraktion gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Fachbereichen unserer Stadtverwaltung für ihre engagierte Arbeit und ihr Verständnis in dieser schwierigen Situation. Allen Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt will ich dafür danken, dass sie in diesen Zeiten des bescheideneren Flammkuchen-, Pizza- oder Bloozbelages ( um bei meinem anfänglich aufgezeigten Bild zu bleiben ) kräftig mit anpacken und zum Wohle unseres Gemeinwesens tätig sind und bleiben werden.

Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats will ich für die bevorstehenden Feiertage ein Zitat von Theodor Heuß mitgeben:

„Der einzige Mist, auf dem nicht wächst, ist der Pessimist...“

Lassen wir uns also nicht entmutigen, unserer kommunalpolitischen Arbeit weiterhin Phantasie und Weitblick nachzugeben

Ich danke Ihnen allen für Ihre Aufmerksamkeit!

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