§ 14 - Rechtliche Prüfung von Möglichkeiten zur Verschiebung der Wahl der Oberbürgermeisterin/des Oberbürgermeisters aufgrund des mdl. Antrags von Stadtrat Baumann vom 11.01.2021 (Tischvorlage) (öffentlich)
Sachvortrag:
- Stadträtin Walter und Stadtrat Sakellariou nehmen wieder ihren Platz am Ratstisch ein -
In der Gemeinderatssitzung am 11.01.2021 (§ 9/3, öffentlich) bat der Vorsitzende der Fraktion der Freien Wähler, Stadtrat Hartmut Baumann, die Verwaltung zu prüfen, ob eine Verschiebung der anstehenden Wahl der Oberbürgermeisterin/des Oberbürgermeisters möglich wäre.
Die Überprüfung ergab, dass die Gemeindeordnung selbst keine entsprechende Möglichkeit einer Verschiebung vorsieht. Allerdings wird in den Hinweisen des Ministeriums für Inneres, Digitalisierung und Migration zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie im Kommunalwahl- und Kommunalverfassungsrecht (Stand 20.05.2021) die Möglichkeit der Verschiebung von Oberbürgermeisterwahlen aufgegriffen. Auf Seite 1 der Hinweise heißt es u.A. „Der Rechtsgedanke des § 3 Absatz 2 CoronaVO kann jedoch herangezogen werden um von den in diesen Hinweisen dargelegten Möglichkeiten der Absage, Verschiebungen und Reduzierung von Sitzungen sowie Wahlen und Abstimmungen Gebrauch zu machen.“ Weiter gibt es auf Seite 3 (Ziffer II.2) der Hinweise folgende Ausführungen: „Aufgrund der aktuellen Situation kann auch eine Verschiebung der Wahl durch die Gemeinde in Betracht kommen, insbesondere, wenn für den vorgesehenen Wahltag noch keine hinreichend sichere Bewertung möglich ist, ob die Voraussetzungen für eine Absage der Wahl vorliegen. Bei Bürgermeisterwahlen bestimmt der Gemeinderat den Wahltag, wobei die Fristen des § 47 Absatz 1 GemO zu beachten sind. Da die Gemeindeordnung selbst Fälle vorsieht, in denen die Wahl erst nach Freiwerden der Stelle erfolgt, kann eine Verschiebung der Wahl auf einen anderen Wahltag durch den Gemeinderat um bis zu drei Monate, im Einzelfall von der Rechtsaufsichtsbehörde toleriert werden.
In einer Fraktionsführerbesprechung am 15.01.2021 wurde das Thema besprochen und im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:
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Es ist kein vernünftiger Wahlkampf im klassischen Sinne möglich. Im Gegensatz zu Landtags- und Bundestagswahlen ist eine Oberbürgermeisterwahl eine sehr individuelle Persönlichkeitswahl. Hier steht, im Gegensatz zu Bundestags- und Landtagswahlen, verstärkt die Person, deren Ausstrahlung, Charakter etc. im Vordergrund. Bei einer Stadtgröße wie Schwäbisch Hall ist dieser individuelle Faktor für die Wahl sehr wichtig.
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Bei einer Oberbürgermeisterwahl sind persönliche Kontakte mit direkter Ansprache und Diskussionen absolut notwendig. Durch die Verschiebung der Wahl besteht zum einen die Hoffnung, dass im Juli, aufgrund der Impfungen und der Corona-Maßnahmen etc., eventuell die klassische Art von Wahlkampf, zumindest in Teilen möglich sein wird und zum anderen aufgrund der milderen Temperaturen wahrscheinlich größere Veranstaltungen im Freien möglich sein werden.
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Beim Wahlkampf in Stuttgart waren noch Ansammlungen von bis zu 100 Personen zulässig.
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Da es lokal nur wenige objektive Informationsmöglichkeiten gibt (i.d.R. keine Berichte im TV, Radio oder überregionalen Zeitungen wie bei Landtags- oder Bundestagswahlen) ist der persönliche Kontakt sehr wichtig.
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Ein Ausweichen auf die sogenannten Neuen Medien ist kein adäquater Ersatz. Eine große Bevölkerungs- und Wählergruppe ist von dieser Kontaktmöglichkeit faktisch ausgeschlossen, da viele, insbesondere ältere Menschen, diese Medien nicht nutzen.
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Bei der Durchführung der Wahl unter den jetzt geltenden Bedingungen müsste ein großer Teil der Bevölkerung „blind wählen“ bzw. eine Wahl „aufgrund einer schriftlichen Bewerbung“ vornehmen.
Ein Abwägungsprozess ergab, dass durch eine Wahl zu einem späteren Zeitpunkt keine Nachteile für die Stadt entstehen. Im Gegensatz dazu würde die Verschiebung jedoch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass allen Bevölkerungsgruppen der Stadt die Möglichkeit eingeräumt werden könnte, in den, wie o.a., sehr wichtigen persönlichen Kontakt mit den Kandidatinnen und Kandidaten eintreten zu können. Die Bevölkerung hätte somit höchstwahrscheinlich die Chance, eine auf eigene Erfahrungen und Wahrnehmungen basierende, Entscheidung treffen zu können.
Dass der persönliche Eindruck der Bevölkerung von den Bewerberinnen und Bewerbern auch der Gemeindeordnung wichtig ist, ergibt sich aus § 47 Absatz 2 GemO. Dieser regelt, dass den Kandidaten die Möglichkeit eingeräumt werden kann, sich in einer öffentlichen Versammlung vorzustellen. Diese Vorstellung wird als eine Verkörperung des Elements der Neutralität und Objektivität (Kunze/Bronner/Katz im Kommentar zur GemO BW) bezeichnet. Dass diese objektive und persönliche Präsentationsmöglichkeit dem Gesetzgeber sehr wichtig war, zeigt sich auch darin, dass bis zu einer Änderung der Gesetzgebung im Jahre 1987 diese Vorstellungsmöglichkeit verpflichtend war. Die Verpflichtung zur Kandidatenvorstellung wurde nur vor dem Hintergrund der Zunahme von sogenannten „Juxkandidaten“ herausgenommen, um diesen keine Plattform zu bieten. Welch hohen Stellenwert diese Möglichkeit zur persönlichen Vorstellung hat, wird auch in den einschlägigen Kommentierungen (Kunze/Bronner/Katz aaO und Aker/Hafner/Notheis Kommentar zur GemO BW) deutlich. Nach deren Auffassung ist die Entscheidung eine solche Veranstaltung durchzuführen nicht in das freie Belieben des Gemeinderates gestellt. Für diese Ermessensentscheidung wird eine Abwägung gefordert, die u.A. zu berücksichtigen hat, dass die objektive persönliche Informationsmöglichkeit einen hohen Stellenwert hat und nur rein sachliche Erwägungen dazu führen können, dass eine solche Veranstaltung nicht stattfinden kann.
Sollte der Gemeinderat einen neuen Wahltermin für die OB-Wahl befürworten, müsste er in der heutigen Sitzung mehrheitlich den Beschluss fassen, die bereits begonnene Wahl abzubrechen.
Als neue mögliche Wahltermine werden der 11.07.2021 (zweiter Wahlgang am 25.07.2021) bzw. der 04.07.2021 (zweiter Wahlgang am 18.07.2021) vorgeschlagen.
Der endgültige Beschluss über den neuen Wahltermin und den genauen Wahlablauf, insbesondere der einzuhaltenden Fristen sowie über den Ausschreibungstext sollte dann in der Sitzung des Gemeinderates vom 10.02.2021 gefasst werden.
Das Regierungspräsidium Stuttgart hat mit Mail vom 19.01.2021 eine Tolerierung in Aussicht gestellt, wenn die Verschiebung einen Zeitraum von drei Monaten nicht übersteigt.
Anlage: Mail des Regierungspräsidiums Stuttgart vom 19.01.2021
Oberbürgermeister Pelgrim umreißt den Sachvortrag und übergibt die Sitzungsleitung an Ersten Bürgermeister Klink.
- Oberbürgermeister Pelgrim ist befangen und rückt aufgrund von Befangenheit vom Ratstisch ab; Erster Bürgermeister Klink übernimmt den Vorsitz -
Stadtrat Baumann ist der Auffassung, dass die Sitzungsvorlage alle wesentlichen Punkte enthielte und ergänzt, dass gerade die ältere Bürgerschaft bei einem digitalen Wahlkampf zum großen Teil außen vor bliebe. Ein Vergleich zu den im März anstehenden Landtagswahlen könne nicht gezogen werden, da diese samt Kandidaten in der Presse viel präsenter seien.
Stadträtin Herrmann stellt voran, dass es innerhalb ihrer Fraktion kein einheitliches Meinungsbild gebe, hebt aber hervor, dass trotz Argumente für eine Verschiebung, ebenfalls genügend Gründe für das Beibehalten des festgesetzten Termins sprechen würden. So wäre ein Wahlkampf im Corona-Modus zwar schwieriger, digitale Veranstaltungen kein Ersatz für Präsenzveranstaltungen und bei warmer Witterung sowie damit verbundener weiterer Lockerungen aufgrund durchgemachter Infektionen und Impfungen größere Veranstaltungen im Freien möglich. Dagegen zu halten sei jedoch, dass auch andere Gemeinden Kommunalwahlen unter verschärften Pandemiebedingungen durchführen, die Landtagswahlen auch stattfinden und es aktuell fraglich sei, ob sich aufgrund auftretender Virusmutationen die Infektionslage tatsächlich ändern würde.
Stadträtin Härterich pflichtet bezüglich dem für und wider einer Verschiebung ihrer Vorrednerin bei und gibt zu bedenken, dass sich bisherige ernstzunehmende Interessenten bei einer Terminverschiebung möglicherweise wieder zurück ziehen.
Da in innerhalb der Fraktion kein Konsens bestehe wird nach der Aussprache um eine kurze Sitzungsunterbrechung gebeten.
Stadtrat Sakellariou meint, mit einer Terminverschiebung würden faire Rahmenbedingungen geschaffen werden. Bei der Wahl einer neuen Oberbürgermeisterin/eines neuen Oberbürgermeisters handle es sich um eine Persönlichkeitswahl. Auf digitalen Plattformen könne sich die Bevölkerung kein umfassendes Bild über die Kandidaten machen. Das Gebot der Fairness gebiete auch, den Bewerbern die Möglichkeit zu geben, sich bei persönlichen Begegnungen vorzustellen.
Stadtrat Dr. Döring ergänzt, dass Demokratie von Wettbewerb, Chancengleichheit, Fairness und Teilhabe lebe. Das Regierungspräsidiums Stuttgart hat bestätigt, dass sich eine Wahlverschiebung innerhalb des gesetzlichen Rahmens bewege und nun sollten dementsprechend Möglichkeiten geschaffen werden, den Kandidaten durch Wahlverschiebung Chancengleichheit zu verschaffen. Bei einem rein virtuellen Wahlkampf hätten es Bewerber von außerhalb schwerer, diesen Wettbewerbsnachteil auszugleichen. Auch das Gewährleisten der soziale Teilhabe der Bevölkerung am Wahlkampf sei wichtig. Mangelnder Zugang zu einem virtuellen Wahlkampf bestünde nicht nur für Teile der älteren Bürgerschaft.
Stadträtin Schumacher-Koelsch spricht sich gegen eine Verschiebung der Wahl einer Oberbürgermeisterin/eines Oberbürgermeisters aus.
- Stadtrat Finger nimmt wieder seinen Platz am Ratstisch ein -
Erster Bürgermeister Klink bittet darum, während der Sitzungsunterbrechung die Hygienevorschriften und geltenden Abstandsregeln einzuhalten.
- Unterbrechung der Sitzung durch eine Pause von 18.40 Uhr bis 18.45 Uhr -
Stadtrat Dr. Graf von Westerholt teilt mit, dass die CDU-Fraktion für eine Verschiebung des Wahltermins stimmen werde. Gute Bewerber ließen sich davon nicht abschrecken und es bestehe zumindest die Hoffnung, dass sich die Wähler im Juli einen geeigneteren Überblick über die Kandidaten verschaffen können.
Erster Bürgermeister Klink schlägt aufgrund der Wortbeiträge, die mehrheitlich für eine Terminverschiebung sprächen, vor, einer der beiden Wahltermine im Juli aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung festzulegen. Von Seiten des Gemeinderats besteht kein Widerspruch.
Stadtrat Dr. Graf von Westerholt (CDU-Fraktion), Stadtrat Sakellariou (SPD-Fraktion), Stadtrat Baumann (FWV-Fraktion) und Stadtrat Preisendanz (FDP-Fraktion) priorisieren den 04.07. als neuen Wahltermin.
Erster Bürgermeister Klink verliest den von Seiten der Verwaltung neu vorgeschlagenen Beschlussantrag: „1. Der Gemeinderat beschließt, die Wahlen zur Oberbürgermeisterin/zum Oberbürgermeister am 18.04.2021 abzubrechen und einen neuen Wahltermin anzusetzen.; 2. Die Verwaltung wird beauftragt, in der Sitzung des Gemeinderats am 10.02.2021 einen Beschluss über den neuen Wahltermin, den genauen Wahlablauf mit den einzuhaltenden Fristen und den Ausschreibungstext vorzulegen.“ und schlägt vor, den vorgeschlagenen Wahltermin in den Beschlussantrag Ziffer 2 mit aufzunehmen. Von Seiten des Gremiums besteht kein Widerspruch.
Der ursprüngliche Beschlussvorschlag „Der Gemeinderat beschließt über einen Abbruch der Wahlen zur Oberbürgermeisterin/zum Oberbürgermeister am 18.04.2021.“ wird somit verworfen.
Stadtrat Baumann bittet, in Beschlussantrag Ziffer 1 zu ergänzen, dass innerhalb einer Dreimonatsfrist ein neuer Wahltermin festzulegen sei. Auch hier besteht von Seiten des Gemeinderats kein Widerspruch.
Beschluss:
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Der Gemeinderat beschließt, die Wahlen zur Oberbürgermeisterin/zum Oberbürgermeister am 18.04.2021 abzubrechen mit der Maßgabe, binnen einer Frist von drei Monaten einen neuen Wahltermin anzusetzen.
(25 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen - Oberbürgermeister Pelgrim wegen Befangenheit abgetreten)
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Die Verwaltung wird beauftragt, in der Sitzung des Gemeinderats am 10.02.2021 einen Beschluss über den neuen Wahltermin am 04.07.2021, den genauen Wahlablauf mit den einzuhaltenden Fristen und den Ausschreibungstext vorzulegen.
(25 Ja-Stimmen, 3 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen - Oberbürgermeister Pelgrim wegen Befangenheit abgetreten)