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Version vom 29. Oktober 2007, 09:40 Uhr

Sachvortrag:

Herr Oberbürgermeister,

meine Damen und Herren,

40 Jahre hatte Moses gebraucht, um das Volk Israel durch die Wüste in das "Gelobte Land" zu führen, wo "Milch und Honig" floss. Zugegeben, diese Geschichte aus der Bibel in Zusammenhang mit unserer Haushaltssituation zu bringen ist etwas weit hergeholt. Doch ich will Ihnen erklären, welche Zusammenhänge ich darin erkenne:

Wir haben lange Zeit im "Gelobten Land" gelebt, wo statt Milch und Honig die Gewerbesteuer reichlich geflossen ist. Diese Zeiten sind nun vorbei. Wir befinden uns also gewissermaßen auf der Wanderung durch die Wüste und suchen das "Gelobte Land". Allerdings hoffen wir nicht, dass wir - wie Moses und das Volk Israel - 40 Jahre auf Wanderschaft sein werden.

Das erste Jahr der Wanderung durch die Wüste - ohne Aussicht auf eine Wasserstelle - ist nahezu vorbei. Das zweite Wanderjahr liegt vor uns. Nach unserem derzeitigen Kenntnisstand ist keine Oase in Sicht, wo wir Wasser vorfinden und wo wir uns von den Strapazen der bisherigen Wanderung erholen könnten.

Zwar ist das Gesetzgebungsverfahren zur

Abschaffung der gewerbesteuerlichen Organschaft

auf den Weg gebracht. Doch wir wissen heute noch nicht, ob es erfolgreich in unserem Sinne sein wird. Selbst wenn es zur Änderung der derzeitigen Rechtslage kommen sollte, so haben wir noch lange nicht die Gewissheit, dass hier in Hall wieder "Milch und Honig" in Form von Gewerbesteuer fließen werden. Wir wissen nicht, ob weitere strukturelle Veränderungen im genossenschaftlichen Bankenbereich geplant sind.

Deshalb sehen wir nach wie vor unsere einzige Chance in der alten liberalen Forderung nach vollkommener

Abschaffung der Gewerbesteuer.

Die Gründe dafür sind hinlänglich bekannt

  1. Gewerbesteuer ist eine deutsche Besonderheit;
  2. Gewerbesteuer ist im Hinblick auf Europa und darüber hinaus wettbewerbsverzerrend;
  3. Gewerbesteuer birgt zu viele Unsicherheitsfaktoren in sich, wie wir jetzt schmerzlich erfahren mussten.
  4. Gewerbesteuer ist umständlich und zeitaufwändig in der Erhebung;
Kurz gesagt: Der "alte Zopf" gehört abgeschnitten.

Sicher kommt nun die Frage nach der Gegenfinanzierung, was ja durchaus wichtig und richtig ist. Auch hier darf ich den alten liberalen Vorschlag wiederholen: Neuer Verteilerschlüssel bei der Mehrwertsteuer (zwischen Bund, Ländern und Kommunen) und gleichzeitig die Möglichkeit, örtlich einen Hebesatz auf die Einkommensteuer festzulegen.

So könnten die staatlichen Einnahmen, die ja alle aus des Bürgers / der Bürgerin Tasche kommen, gerechter und mit weniger Verwaltungsaufwand verteilt werden.

"Jede Mark, die der Staat in Form von Wohltaten verteilt, kostet eine weitere Mark an Verwaltungsaufwand!" sagte unser liberaler Urvater Reinhold Maier schon vor etwa 50 Jahren.

Trotz der derzeitig schwierigen finanziellen Situation für unsere Stadt wollen wir Liberalen nicht jammern und wehklagen. Wir sehen einen positiven Ansatz in der Vielfalt des

bürgerschaftlichen Engagements.

Dazu will ich einige Beispiele anführen, ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu wollen

  1. Zur Unterstützung des Hällisch- Fränkischen Museums, der Stadtbibliothek und der Musikschule haben sich bereits Freundeskreise gebildet.
  2. Auf Anregung der Bausparkasse wurde ein "Verein zur Förderung gemeinnütziger Aktivitäten in den Bereichen Kultur, Bildung, Soziales und Sport der Stadt Schwäbisch Hall e. V." gegründet. Aber die Bausparkasse hat nicht nur die Anregung gegeben, sondern auch die notwendige Anschubfinanzierung.
  3. Ein "Initiativkreis Bürgerstiftung Schwäbisch Hall" ist entstanden und hat bereits einen Förderpreis des Vereins "Aktive Bürgerschaft e. V." erhalten. Es ist zu wünschen, dass diese Bürgerstiftung lebhaften Zuspruch aus allen Kreisen unserer Bürgerschaft erfahren wird.
  4. Das "Alte Schlachthaus" wurde unter finanzieller Beteiligung von privater Seite zu einem neuen Treffpunkt der Haller Kulturszene um- und ausgebaut. Hall ist also nicht zur "Kultursteppe" verkommen, wie manche Schwarzmaler glauben machen wollten.

Herr Oberbürgermeister, meine Damen und Herren, Sie sehen also an diesen eben genannten Beispielen, dass der Bürgersinn in unserer Stadt lebt. Wir wollen deshalb optimistisch in die noch ungewisse Zukunft schauen.

Wenn wir heute den Haushaltsplan 2003 verabschieden werden, wovon ich ausgehe, so wissen wir genau, dass es ein Haushalt mit mehreren Unbekannten ist. Aber ich will nochmals betonen, was ich auch schon in meiner letztjährigen HH-Rede in ähnlicher Form gesagt habe: Kneifen gilt nicht! Noch sind wir ohne Haushaltssperre und ohne Entlassungen ausgekommen. Das ist in erster Linie Ihnen, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in allen städtischen Arbeitsfeldern zu verdanken.

Es wird aber nicht ohne

zumutbaren Abbau von Dienstleistungen für die Bürgerschaft

gehen.

Wir dürfen nicht müde werden zu erklären, dass alle "Dienstleistungen" für die Bürger/innen bezahlbar bleiben müssen. Es ist schon sehr kurios, wenn der Kämmerer unserer Nachbargemeinde Rosengarten als Einziger Einspruch gegen unseren HH-Plan 2003 erhebt. Nicht etwa aus grundsätzlichen finanzpolitischen Bedenken, was bei seiner fachlichen Ausrichtung durchaus verständlich wäre. Nein, er argumentiert mit der möglichen Schließung des eingruppigen Kindergartens Unterlimpurger Straße.

Nachdem die Stadt nach wie vor 80 % des Abmangels bei Kindergärten trägt, besteht also keine Gefahr, dass Kindergartenplätze abgebaut werden. Diese 80 Abmangelbeteiligung gilt für alle Kindergartenträger! Doch wenn die Zahlen der Kinder im Kindergartenalter zurückgehen, dann muss es doch wohl auch möglich sein, Kindergartenkapazitäten zu verlagern, bzw. zu bündeln. Unsere Nachbarstadt Crailsheim hat sogar den Mut, eine Grundschule und ein Freibad zu schließen. Dabei hat Crailsheim nicht einmal einen solch gravierenden finanziellen Einschnitt zu verkraften wie wir hier in Hall.

In diesem Zusammenhang muss auch die Frage erlaubt sein, ob die Reduzierung der Dienstleistungen in den Bezirksämtern wirklich unzumutbar ist.

Weitere Einschnitte werden unabdingbar sein, zumal sich herausgestellt hat, dass der Arbeitsanfall weit geringer ist als in den Dienststellen der Zentralverwaltung. Es konnte Einigkeit erzielt werden in der Frage der Zusammenlegung dezentraler Bauhöfe. So weit, so gut.

Auch die Kultur muss bezahlbar bleiben.

Ich weiß, dieses Schlagwort habe ich in den vergangenen Jahren immer wieder benutzt. Aber es ist aktueller denn je!

Der Antrag, Teile des HFM an einen freien Galeristen zu vermieten, ist sicher nicht ohne Probleme in die Praxis umzusetzen. Aber wir vertrauen auf Ihre Zusage, Herr Oberbürgermeister, "Wir werden uns von Immobilien trennen (müssen) und vorhandene effizienter nutzen". (HT Mo., 16. Dez. 2002 / Seite 17 Lokalteil).

Damit bin ich natürlich bei unserem liberalen Lieblingsthema:

Verkauf, bzw. weitere Reduzierung städtischer Immobilien

Jahrelang haben Verwaltung und Rat (oder soll ich umgekehrt sagen: Rat und Verwaltung ?) unser Anliegen vom Tisch gewischt. Über die Gründe will ich nicht spekulieren. Nun hat die Verwaltung ein Entgegenkommen in der Form angedeutet, dass nach dem Verkauf der städtischen Wohnungen an die GWG eine schrittweise Privatisierung erfolgen soll. Wir sehen also, ständiges Bohren lohnt sich!

Doch dieses Spiel

Arme Mutter - reiche Töchter

wie es uns vom Genossenschaftlichen Zentralverband vorgemacht wurde, funktioniert nicht uneingeschränkt in unserer Situation Stadt und ihre Töchter.

(Zur Erklärung für Außenstehende: Durch die Verschmelzung der Genossenschaftlichen Zentralbank - GZ - und der Deutschen Genossenschaftsbank DG (zur DZ-Bank) sind Verluste entstanden, die die reiche Tochter Bausparkasse Schwäbisch Hall durch ihre gute Ertragslage ausgleichen musste. Das Ergebnis ist bekannt: keine Gewerbesteuer in die Kasse der Stadt Schwäbisch Hall).

Sicher war es ein Segen, dass unsere "gutsituierte Tochter" Stadtwerke die Parkierungseinrichtungen übernommen hat. Das hat uns im HH-Jahr 2002 geholfen, einigermassen ungestreift über die Runden zu kommen.

Mit dem Verkauf städtischer Wohnungen an die GWG, soll unser Haushalt 2003 um ca. 5,4 Mio EURO entlastet werden.

Die neue Touristik- und Marketinggesellschaft (TMG) übernimmt ebenfalls Aufgaben von der Stadt, was uns finanzielle Erleichterung verschafft.

Durch Kostenverlagerung in die neu gegründete Erschliessungsgesellschaft und durch den vermehrten Immobilienverkauf an Private sollen lt. HH-Plan 2003 in der Summe (mit GWG und TMG ) ca. 20 Mio EURO Einnahmen erzielt werden. Auf diese Weise, so hoffen wir mit der Verwaltung, müsste auch unser HH-Plan 2003 genehmigungsfähig sein.

Doch das Unbehagen über unsere finanzielle Situation wird auch in den folgenden Jahren weitergehen. Unsere Investitionen wurden drastisch zurückgefahren; aus den bekannten Gründen. Das bedeutet aber auch Umsatzeinbussen für das örtliche Gewerbe und das Handwerk, was wir natürlich sehr bedauern.

Auch werden wir die Verwaltung daran erinnern, dass die Erhöhung der Gewerbesteuer von 375 auf 390 Punkte nur als vorübergehende Notmassnahme für die HH-Jahre 2002 und 2003 gedacht war.

Doch was wissen wir heute schon über die Gewerbesteuer von morgen ...

Ab 2004 werden wir zwar nicht mehr so stark mit der FAG (Finanzausgleichsabgabe an das Land Baden-Württemberg) und die Kreisumlage belastet sein. Aber eine finanzielle Sicherheit bedeutet das für uns noch lange nicht. Gerade die Kreisumlage macht uns Sorgen. Eine Erhöhung um 2 Prozentpunkte würde den städtischen Etat mit 1,9 Mio EURO belasten. Doch wo sollen wir diese Summe hernehmen, zumal sie bisher nicht im Haushaltsplan vorgesehen ist?

Da ich auch Mitglied des Kreistages bin, gestatten Sie mir bitte einige Anmerkungen zum

Verhältnis Landkreis - Stadt Schwäbisch Hall

Ein leitender Mitarbeiter des Landratsamtes sagte mir vor kurzem: "Wir beim Landkreis waren schon immer sparsam." Ich musste ihm zustimmen. Und ich verrate kein Dienstgeheimnis, wenn ich sage: Wir haben in guten Zeiten immer gerne und viel Geld ausgegeben - auch mit einem gewissen Stolz. Und haben dabei immer etwas mitleidig unseren "armen Vetter Landkreis" betrachtet.

Der Landkreis hat als einzige direkte Einnahmequelle praktisch nur die Kreisumlage. Wird an dieser Schraube gedreht, spüren das die Städte und Gemeinden im Lavakreis positiv oder negativ; je nachdem, in welcher Richtung an der Schraube gedreht wird.

Unsere Haupteinnahmequelle Gewerbesteuer ist, bzw. war nie so variabel. Deshalb haben wir in grosser Übereinstimmung im Rat eine Resolution an den Landkreis gerichtet, er möge von einer Erhöhung der Kreisumlage in der augenblicklichen Situation absehen. Dazu muss man aber wissen, dass die erhofften Mehreinnahmen des Landkreises geringer sind als die Erhöhung der Zahlungen an den Landeswohlfahrtsverband Württemberg-Hohenzollern.

Der Vorschlag, zur Überbrückung dieser Deckungslücke Einnahmen aus dem Verkauf der EnBW-Aktien zu verwenden, ist zwar aus unserer Sicht (Stadt SHA) und aus der Sicht der anderen Städte und Gemeinden im Landkreis gut nachvollziehbar. Doch die Entscheidung darüber liegt beim Kreistag, ein autonomes Gremium, in dem unsere Stadt mit 10 von 59 Mandaten vertreten ist. Ich kann also nur hoffen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen im Kreistag diese Situation auch so sehen und einschätzen.

Zum Abschluss meiner Ausführungen möchte ich noch kurz auf die

Atmosphäre im Gemeinderat

eingehen : Man müsste doch annehmen, dass man gerade in schlechten Zeiten enger zusammenrückt. Leider ist dies nicht immer der Fall. Es kommt häufig vor, dass Gruppierung A auf Gruppierung B (verbal) schiesst; und umgekehrt. Gruppierung C schiesst nach allen Seiten.

Diese Beobachtung musste ich loswerden. Sonst stellt sich bei mir der weihnachtliche Friede nicht ein.

Dafür bitte ich um Verständnis und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

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